II. Kriegsflotten und Verteilung der Flottenstützpunkte.
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der öffentlichen Kenntnis überhaupt nicht zugänglich sind. Immerhin mag eine Zusammenfiel-
lung der Kriegsflotten als des hauptsächlichsten Werkzeuges des Seekrieges uns wenigstens die
Möglichkeit eines annähernden Vergleichs geben, wenn man auch dabei außer den eben erwähn-
ten Umständen den weiteren in Rechnung ziehen muß, daß sich die Zahlen für die einzelnen
Schiffsgattungen einerseits durch Verluste, andrerseits durch Neubauten fortwährend verändern.
Der nachstehend gegebenen Aufstellung liegen die letzten vor dem Kriege veröffentlichten
Angaben des „Nauticus"^ 1914 zugrunde.
Tabelle 10.
Deutsches
Reich
Österr.-
Ungarn
Türkei
England
Frank¬
reich
Italien
Rußland
Japan
1. Linienschiffe
33 (7)2
15 (1)
2 (1)
59 (16)
21 (8)
12 (6)
8 (8)
14 (4)
2. Küstenpanzerschiffe. . .
1
—
—
—
—
—
1
1
3. Panzerkanonenboote . .
—
—
—
—
—
—
—
15 (2)
4. Panzerkreuzer ....
14 (4)
2
—
43 (1)
19
9
6 (4)
5. Geschützte Kreuzer. . .
39 (6)
5 (2)
2 (1)
58 (21)
8 (3)
5 (2)
8 (8)
13
6. Ungeschützte Kreuzer und
30
Kanonenboote . . . .
10
8 (1)
26
14
10
27
11
7. Torpedofahrzeuge . . .
219 (17)
86 (19)
22 (16)
289 (33)
234 (3)
121 (15)
125 (40)
79 (2)
8. Unterseeboote
28
6 (6)
- (2)
77(28?)
55 (20)
20 (2)
28 (22)
15
9, Schnelldampfer, die sich
zu Hilfskreuzern eignen.
P
3
—
46
13
21
3
6
! 344 (34)
125 (29)
56 (20)
598 (71)
364 (34)
198 (25)
206 (82)
154 (8)
Die Kriegs-
flotten des
Vierbunds
und der Ver-
kündeten.
525 (83) 1520 (220)
Die Tabelle zeigt also ein Stärkeverhältnis zwischen den Mittelmächten und den Verbün-
deten von etwa 1 : 3. Dieses selbe Verhältnis erhält man auch, wenn man nur die Groß-
kampfschiffe beider Mächtegruppen in Rechnung zieht, von denen Deutschland und Oster-
reich-Ungarn 36 mit einer Wasserverdrängung von 851180 t und einem Breitseitengewicht^
von 153 797 KZ besitzen, während die Alliierten über 102 Großkampfschiffe verfügen, die eine
Gesamtwasserverdrängung von 2 490 000 t und ein Breitseitengewicht von 535 620 kg dar¬
stellen. Das Kräfteverhältnis der deutschen Flotte zu der englischen wird etwa ausgedrückt
durch die Zahlen 2 :3.
Die Überlegenheit unserer Feinde, die in diesen Zahlen zum Ausdruck kommt, soll nicht
unterschätzt werden; aber abgesehen von den oben erwähnten Unsicherheiten in der Beur-
teilung der statistischen Veröffentlichungen ist in Betracht zu ziehen, daß die Flotte unserer
Gegner sich auf den ganzen Raum des Erdenrunds verteilt, während wir unsere Schiffe zu-
fammenhalten können für die Zwecke unserer Kriegführung. Allerdings ist die Hauptmacht
der englischen Flotte, die bis zum Jahre 1904 im Mittelmeere und 1905—1907 im Kanal
lag, seit diesem Jahre unter immer stärkerer Herbeiziehung der Mittelmeer- und Auslands-
streitkräfte in der Nordsee versammelt. Daß aber der zu einer Bekämpfung unserer
Flotte in der Nordsee zur Verfügung stehende Teil der gegnerischen Flotte bei unseren Fein-
den nicht das Gefühl einer sicheren Überlegenheit aufkommen läßt, beweist schon die Tatsache,
daß man eine Entscheidung so lange hinausschiebt und daß es einer fast zweijährigen Dauer
des Krieges bedurfte, ehe es zu einem ersten großen Zusammenstoß der beiderseitigen Haupt-
kräfte in der Schlacht am Skagerrak kam.
Die Flotte einer modernen Großmacht hat eine dreifache Aufgabe. Sie hat in erster
Linie feindliche Angriffe vom Mutterlande fernzuhalten, sie hat weiter den überseeischen
1 Siehe den Literaturnachweis am Schlüsse.
I m klammern stehenden Ziffern geben die Anzahl der 1914 im Bau befindlichen Schiffe an.
<■, ™ :2"^ Breitseite versteht man das Gesamtgewicht der Munition, die gleichzeitig von
den Geschützen einer Schiffsseite abgeschossen werden kann. Danach läßt sich annähernd die Armierung eines
Kriegsfahrzeuges beurterlen.