Österreich-Ungarn. 35
knüpft sich an die deutsche Einwanderung in Ungarn der Segen höherer Bildung
und Gesittung: noch heute liegen Gewerbe und Industrie, Künste und Wissen-
schasten im „Lande der Stephanskrone" vielfach in deutschen Händen. Nament-
lich in den Städten ist trotz der politischen Gegenströmung das deutsche Element
noch immer stark vertreten, so in Ofen-Pest, dann in Esseg und Preß-
bürg. Zusammenhängende deutsche Sprachgebiete finden sich in der Zips am
Fuße der Tatra, im sieben bürgischen Sachsen lande (200000), im West-
lichen Teile der Ungarischen Tiefebene längs der niederösterreichischen Grenze, um
Fünfkirchen zwischen der unteren Drau und Donau, endlich im Banat.
Bevölkerung. Am zahlreichsten sind die Magyaren, ein finnisch-
mongolischer, den Osmaueu verwandter Stamm; sie machen indes nicht die Hälfte
der ganzen Bevölkerung aus. Anderseits sitzen sie freilich ziemlich geschlossen in
der Mitte des Landes und dessen kulturfähigstem Teile. Sie sind auch die Träger
der staatlichen Herrschaft und eifrigst bestrebt, ihre nationale Kultur den anderen
Nationalitäten des Landes aufzudrängen. Die slavischen Völkerschaften be-
wohnen das gebirgige Land an den Grenzen; die Rumänen nehmen die Rand-
gebirge im O. ein. Die 2,2 Mill. Deutschen sind über fünf Gebiete hin zer-
streut. Die ungarische Reichshälfte ist wie Österreich ein vielsprachiges Gebiet;
auch dort hat keines der Völker für sich allein die Mehrheit der Bevölkerung.
Die Volksbildung ist in Ungarn gering und ein großer Teil der Bevöl-
keruug, namentlich die slavische und rumänische, noch vielfach arm.
Klima und Produkte. Das Klima Ungarns zeigt bereits die schroffen
Gegensätze des osteuropäischen Landklimas: heiße Sommer und strenge Winter.
Was die Niederschlüge betrifft, so zählt die Ebene zu den regenärmeren Ge-
bieten Europas, da die Winde schon durch das Übersteigen der Gebirgsränder
ihrer Feuchtigkeit teilweise beraubt werden. Trotzdem erzeugt die Ebene an den
Gehängen der Gebirge feurigen Wein, wie bei Tokai und Erlau, Ödenburg und
Ruft, und in der Niederung massenhaften Weizen und Mais, so daß Ungarn
eine der Hauptkornkammern Europas ist. Doch finden sich auch,
namentlich an den Flüssen, breite Sumpsläuder und abseits der Flüsse mageres
Weideland und kahle Sandebenen, die Pußten; auf diesen steppenartigen Flächen
weiden Herden von Rindern, Schafen und halbwilden Pferden. In Südungarn
wird viel Schweinezucht betrieben. — Die Bewohner der Karpaten nähren sich
hauptsächlich von Waldwirtschaft, Flachs-, Kartoffel- und Gerstenbau. Die dem
Tatramassiv südwärts vorgelagerten Höhenzüge heißen wegen ihres Reichtums an
Edelmetallen und Eisen das Ungarische Erzgebirge; hier liegen die zumeist
von Deutschen bewohnten Orte Kremnitz und Schemnitz mit Silberbergbau.
— Siebenbürgen liefert Holz, Getreide, Wein, Pferde, Schafe, Rinder und
namentlich Gold, Kroatien und Slavonien Getreide, Obst, Wein und Holz.
Siedelungen. Die wichtigsten Städte im Königreich Ungarn sind: Ofen-
Pest, 940000 Eütw., Hauptstadt des Ungarischen Reichs mit glanzvollen modernen
Bauten, Mittelpunkt des Verkehrs, des Getreide-, Wein-, Vieh- und Wollhandels
und einer aufblühenden Industrie. — An der Theiß: Szegedin, nach Budapest
die größte Stadt Ungarns, 100000 Einw.; südwestlich Maria Theresiopel,
9000t) Einw., Mittelpunkt der getreide- und viehreichen deutschen Bacska (batschka). —
In den Pußten des NO.: Debreczin, 75 000 Einw., der Hauptort. — Der SO.