Full text: Für die Oberstufe (Pommern, Teil 2)

72 Heimatkunde von Pommern II. 
Ihr Wohlstand war aber sehr zurückgegangen infolge der veränderten Handels- 
Verhältnisse und der Kriege mit Dänemark, so daß die Steuerkraft der Bürger 
in größern Anspruch genommen werden mutzte, Deshalb herrschte unter der 
Bürgerschaft große Mißstimmung gegen den Rat, die sich nach den Übergriffen 
des geistlichen Gerichtsherrn bald auf die ganze Geistlichkeit übertrug. Man zwang 
sie zur Steuerzahlung, worauf der oberste Geistliche die Stadt verließ. Die Streitig¬ 
keiten mit dem Rat führten schließlich dazu, daß ein Bürgerausschuß eingesetzt 
wurde, der die städtische Vermögensverwaltung zu überwachen hatte. Es bestand 
also in Stralsund ein scharfer Gegensatz zwischen dem Rat und der Bürgerschaft 
und zwischen dieser und der Stadtgeistlichkeit. 
In dieser Zeit der Gärung kamen zuerst vertriebene Belbuker Mönche in 
die Stadt, um das Evangelium zu verkünden (1523). Zu diesen gehörte Christian 
Retelhot, der in Stolp abgesetzt worden war, weil er „durch Irrlehren das Volk 
verführte". 5iuf Litten angesehener Bürger predigte er zuerst auf dem St. Ge- 
orgen-Kirchhofe am Sonntag Rogate über Matth. 11,28: „Kommt her zu mir 
alle, die ihr mühselig und beladen seid." Sein Erfolg war so groß, daß der Rat 
nicht gegen ihn einzuschreiten wagte und ihn auch in der Nikolaikirche nicht störte. 
Im herbst 1524 erhielt er in Johann Kureke einen eifrigen Mitkämpfer für die 
neue Lehre, der so immer neue Anhänger gewonnen wurden. Angriffe gegen die 
päpstlich gesinnte Geistlichkeit wurden immer häufiger, bürgerliche und religiöse 
Streitigkeiten miteinander vermengt. Die Entscheidung brachte das sogenannte 
„Kirchenbrechen" am Montag nach dem Palmsonntage, sin diesem Tage sollten 
von den Krmen in der Nikolaikirche die Unterstützungsbedürftigen ausgesondert 
werden. Danach wurde aber das Schließen der Kirche vergessen, so daß eine 
große Menge von Gesellen, Lehrjungen und andern, die sich auf der Straße 
umhergetrieben hatten, in die Kirche Eingang fanden und hier allerlei Mutwillen 
verübten. Da geriet eine eifrige Katholikin in Besorgnis, daß ihr Spindchen in 
ihrem Kirchstuhle in Gefahr käme, und ließ dies durch ihre Magd abbrechen. 
Die Zolge davon war, daß einige lose Buben nun auch andre Spinde losrissen 
und damit das Zeichen zu einer allgemeinen Zerstörung gaben. Es wurde auch 
in andre Kirchen und Klöster eingebrochen, Bilder und Geräte wurden zerstört, 
Mönche und Nonnen gemißhandelt. Die Obrigkeit erwies sich machtlos, verlangte 
aber Rückgabe des geraubten Gutes auf offenem Markte, hier versammelte sich 
am Mittag darauf die Bürgerschaft aller Parteien, meist bewaffnet. Da rief der 
Anführer der Volkspartei: „Wer beim Evangelium lebend oder tot ausharren 
will, der trete hier auf diese Seite!" Nun erkannte man, daß für den Katholizismus 
die letzte Stunde geschlagen hatte. Der neue Rat wurde ein Körderer der evan- 
gelischen Sache,- die katholischen Geistlichen verließen die Stadt, und die Kirchen 
erhielten evangelische Prediger. Ihre feste Grundlage bekam die Kirche durch 
eine besondere „Kirchen- und Schulordnung" 1525. Die Leitung der geistlichen 
Geschäfte und die Oberaufsicht über die Geistlichen erhielt der erste Prediger an 
der Iohanniskirche, Johannes ttnipstro. 
Stettin. In Stettin lagen die Verhältnisse ähnlich so wie in Stralsund. 
Luthers Lehre fand hier bald Anhänger unter der dem Rat feindlichen Bürgerschaft. 
Huf seiten der alten Kirche standen die Mehrzahl der Ratsmitglieder mit dem 
Bürgermeister Hans Loitz, der alte Herzog Bogislaw und sein älterer Sohn Georg. 
Kls die Bürger aber nachdrücklich die Besteuerung der Geistlichen forderten, mußte
	        
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