Die Mittelmeerländer.
101
zu wahrhaft herrlicher Blüte sich entfaltet hat. Griechenland, wo
sich Europa am nächsten mit Asien und Afrika berührt, ist der Aus-
gaugspunkt der abendländischen Kultur geworden, die von hier
nach Italien, später nach Spanien und dann erst zum nordalpinen
Europa sortschritt. An den sonnigen, landschaftlich unvergleichlich
schönen Gestaden des Mittelmeers entwickelte sich früh Handel und
Verkehr, Recht und Staat, Kunst und Wissenschaft.
2. Die europäischen Mittelmeerländer haben mit den benach-
karten Küstenstrichen Asiens und Afrikas ganz ähnliches (snbtro-
pisches) Klima, nämlich mit Mitteleuropa verglichen eine der füd-
lichen Lage (36 bis 46" n. Br.) entsprechende, wesentlich höhere
Wärme in allen Jahreszeiten — Schnee fällt in Niedern Lagen
nur ausnahmsweise — und dann eine andere jahreszeitliche Ver-
teilung der Niederschläge. Während diese bei uns das ganze Jahr
hindurch fallen, aber im Sommer reichlicher als in den andern,
Jahreszeiten, ist in den Mittelmeerländern der Sommer Monate
lang ausgesprochen regenarm, ja sogar völlig trocken, weil in dieser
Zeit nördliche Winde bedeutend überwiegen, welche nach der stark
erhitzten Sahara hin wehen. Daher ist der Bodenbau nur dort
ergiebig, wo künstliche Bewässerung Platz gegriffen hat, unter dieser
Voraussetzung aber auch im höchsten Grade. Unsere Feuchtigkeit
liebenden Gewächse treten wesentlich zurück hinter solchen, welche
mit ihren lederartigen, immergrünen Blättern die trockene
Sommerhitze überdauern können. Im Norden der Alpen nicht
mehr heimisch, im Süden aber weit verbreitet und das Landschafts-
bild bestimmend sind Ölbaum (Olive) Orange, Zitrone, Feige,
Mandel, Lorbeer, Myrte, Steineiche, Edelkastanie und
Manlberbanm (Seidenzucht). Der Weinstock reift überall köst-
liche Früchte, die Zwergpalme kommt häufig, die Dattelpalme
stellenweise vor. Neben unserm Weizen wird Mais als Haupt-
brotsrucht gepflanzt, der Reis hat sich vielfach eingebürgert, wo
die Bewässerungsverhältnisse es gestatten, selbst das Zuckerrohr
lohnt gelegentlich den Anbau.
3. Bis zu der Entdeckung Amerikas 1492 und der Auffindung
des Seeweges nach Indien 1498 bildete das Mittelmeer tatsächlich
die Mitte der bekannten Welt, woher sich auch sein Name erklärt.
Damals hatten auch seine Küstenländer, namentlich Italien, die
höchste Bedeutung für den Welthandel und Weltverkehr, damit aber
auch für alle Fragen der Politik. Das änderte sich dann vor vier-
hundert Jahren freilich in einschneidender Weise, und erst seit der
Eröffnung des Suezkanals (1869) und seit zahlreiche Eisenbahnen
Mlttel- und Nordeuropa mit den Küstenstädten am Mittelmeer
verbinden, blühen diese wieder auf, und die Straßen von Gibraltar
und Malta gehören heute ebenso zu den belebtesten Punkten aller
Meere der Erde, wie die Eisenbahnlinien nach Unteritalien und
zum Agäischen Meer Hauptstraßen des Weltverkehrs geworden sind.