Full text: Hilfsbuch für den Geschichtsunterricht in Präparandenanstalten (Teil 1)

132 Friedrich Wilhelm I.: Generaldirektorium; Domänen. 
fanden sich freiwillig nicht genug, so wurden junge Leute im In- und 
Auslande mit List und Gewalt zum Soldaten gezwungen. Das Werben 
wurde noch dadurch erschwert, daß der König eine so große Vorliebe für 
„lange Kerle" hatte. (Fig. 33.) Das Leibregiment zu Potsdam, das der 
König selber als Oberst befehligte, bestand aus lauter solchen Riesen und 
wurde wie auch das ganze Heer mit der größten Sorgfalt und Strenge 
eingeübt, wobei der „alte Dessauer" treffliche Hilfe leistete; die Armee 
verdankt ihm den Gleichschritt und den eisernen Ladestock. Der König 
führte als neue Truppe die Husaren ein und vergrößerte das Heer 
auf 83000 Mann, so daß Preußen nächst Rußland und Frankreich das 
größte Heer Europas hatte. Die Ausgaben sür dasselbe konnte der König 
ohne zu große Belastung seiner Untertanen nur dadurch bestreiten, daß 
in dem Staatshaushalte die größte Sparsamkeit herrschte, daß er für 
seine Person sehr wenig gebrauchte und an Günstlinge auch nicht einen 
Pfennig verschwendete. 
Ein deutscher Müller ließ sich in Frankreich als Riese für Geld sehen; bald 
nachher stand er als fünfter in der Potsdamer Riesengarde. Jeder Inländer von 
großem Körper fiel unzweifelhaft den Werbern in die Hände. Einen Bürgermeister 
holten die Werber aus dem Rathause und drei Bauernburschen aus der Kirche; 
einen Schiffskapitän entführten sie von seinem Schiffe und die Türhüter aus dem 
Vorzimmer des Königs von Polen. Bei einem sehr großen Tischler bestellten die 
Werber einen Sarg für einen gestorbene:: Flügelmann. Als der Sarg fertig ift, 
behaupten die Offiziere, er sei zu klein. „Nein," erwidert der Tischler, „der ist noch 
groß genug für mich!" Damit legt er sich hinein; flugs wird der Sarg geschlossen 
und fortgeschafft. Vor der Stadt öffnet man und findet den Tischler tot! — Der 
König erfuhr, in Italien lebe ein außerordentlich langer Mönch. Da erbot sich ein 
Major, ihn herbeizuschaffen. Er trat in Polen zur katholischen Kirche über, reiste 
nach Italien und trat in das Kloster, in welchem der lange Mönch lebte. Bald 
befreundete er sich mit ihm und überredete ihn, mit nach Polen zu gehen, um dort 
seine evangelischen Verwandten bekehren zu helfen. Der Abt gab seine Zustimmung, 
und bald war der Mönch Gardist. — Seine „lieben blauen Kinder", wie der König 
die Gardisten nannte, waren ihm lieb und teuer; er sorgte für sie väterlich, für sie 
war keine Summe zu groß. Als der neue Turn: der Petrikirche nahe vor seiner 
Vollendung einstürzte, wurde die Meldung beim Könige mit den Worten eingeleitet, 
ein großes Unglück habe sich ereignet. „Was denn?" rief der König. „Der Petri- 
türm ift eingestürzt!" — „Ach so," sagte der König gelassen, „ich dachte Wunder, 
was es wäre, und glaubte, der Flügelmann sei tot." 
c. Generaldirektorium; Domänen. Neben der Sorge für die Soldaten 
vergaß Friedrich Wilhelm aber keineswegs seine übrigen Herrscherpflichten. 
Statt der getrennten obersten Staatsbehörden, die oft miteinander in 
Streit lagen, schuf er eine, der die Finanzen (Verwaltung der Staats- 
gelder), Domänen und die Erhaltung des Heeres übertragen wurden, und 
die den Namen Generaldirektorium erhielt. An der Dienstanweisung 
für diese Behörde hat der König zehn Jahre gearbeitet; sie ist aber auch 
ein ruhmvolles Denkmal für seine große Einsicht und Willenskraft. Durch 
eine strenge Zucht und sein eigenes Vorbild gewöhnte er die Beamten an
	        
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