Contents: Kaiser und König Wilhelm I. - Kaiser und König Wilhelm II. (Bd. 3)

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bie Zukunft verwies. Aber ber ihm am nächsten ftnnb in Ehren und in der 
Zuneigung bes Volkes, verlebte biese Zeit ber Einrichtung eines neuen Lebens, 
bie Feststellung des Kaiserreichs, das gerade er so heiß ersehnt hatte, zur Seite 
stehend, in thatlosem Harren. Er suhlte die Leere, eine gewisse Ermüdung trat 
ein, Verstimmung überkam ihn, welche immer größer wurde. 
Daß die Einwirkung dieser Zeit den Kronprinzen so sehr niederdrückte, 
lag zu», großen Teil in seiner Natur, bereu Liebenswürdigkeit unb Adel sich 
bei dem Verarbeiten starker Eindrücke kundgab, welche ihm das Leben entgegen¬ 
brachte, die aber durchaus nicht aktiv war. Wäre er mit rüstiger Thatkraft 
ausgestattet gewesen, so würde er trotz mancher Hindernisse eine Beteiligung 
an der Staatsregierung auf allen Gebieten durchgesetzt haben, welche dem Vater 
nicht vorzugsweise am Herzen lagen. Doch er besaß zwar den Fleiß und die 
Pflichttreue der Hohenzollern in Erfüllung einer gestellten Aufgabe, aber nicht 
bie Unternehmungslust unb Schaffensfreube, und auf beu wichtigsten Gebieten 
der Verwaltung wohl auch nicht das Geschick, zu befehlen, wie etwas werden 
sollte. Es wäre für ihn heilsam gewesen, in den ersten Jahren nach seiner 
Vermählung, wo Berlin ihm zuweilen ein unbehaglicher Aufenthalt wurde, als 
Gutsherr auf dem Lande niederzusitzen, dort mit einem tüchtigen Inspektor selbst 
Landban zu treiben und dabei die Verwaltung in ben Kreisen, bie Bedürfnisse 
und Ansprüche des kleinen Mannes, die Interessen der Landwirtschaft ans 
eigener Erfahrung kennen zn lernen. Aber dieser Gebanke, ber ihm wohl ein¬ 
mal nahe trat, erschien damals wegen des Mangels an eigenem Vermögen nicht 
durchführbar. Was ber Kaiser nach bem Jahre 1870 that, um ihm eine be¬ 
stimmte Thätigkeit zuzuteilen, bas reichte nicht aus. Ter Kronprinz erhielt bie 
Inspektion über bie süddeutschen Armeecorps, er reiste mit Blumenthal alljähr¬ 
lich einmal dorthin, nnd übte durch sein Erscheinen unb seilt vertrautes Feld¬ 
herrnbild, das den Offizieren und der Mannschaft das Herz warm machte, in 
der That eine sehr wohlthätige Einwirkung aus, aber diese Thätigkeit war doch 
nicht viel anderes als fürstliche Repräsentation. Er wurde zum Protektor ber 
Museen, ber Kunstaugelegenheiten ernannt, was ihm wohl mehr nach bem 
Herzen war. Er würbe nach beut Beispiel seiner Gemahlin auch ein warmer 
Beförderer bes Kunsthanbwerks, er hat in biefen Richtungen unb bei zahlreichen, 
gelegentlichen Ehrenvorsitzen durch seine warme Beistimmung unb zuweilen durch 
seine Einwirkung auf die Regierung allerlei Förderliches gethan, und wer genau 
zusteht, vermöchte darüber vieles Rühmliche zu berichten, aber solche Thätigkeit 
auf Seitenpfaden war zuletzt doch für einen großen Fürsten nur Zeitvertreib 
und Spiel. Der Sohn eines Gutsherrn, welcher mit seinem Hausstand in 
einem Nebengebäube ber väterlichen Besitzung wohnt, mit jebcm Thaler seiner 
Ausgaben auf bie Einnahmen angewiesen ist, bie ihm ber Vater für bas Jahr 
ausgesetzt hat, dessen Kinber sogar von bem Großvater bas erhalten, was sie 
brauchen, und dem als Beschäftigung vielleicht die Aufsicht über die Parkanlagen 
des Gutes zugewiesen wirb, ber würbe, weint er als Mattn von fünfzig Jahren
	        
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