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und Freunde geben andern durch ihr .müßiges Leben ein böses Beispiel, oder halten
den Fleißigen durch ihre Gesellschaft und ihre Reden von besserer Beschäftigung ab.
Fast eben so ungünstig wirken oft hoher Stand und reichliches Einkommen. Men¬
schen, welche diese Dinge besitzen, halten sich leicht deßhalb für losgesprochen von
der Pflicht zu arbeiten und vergessen, daß, wenn sie auch ihr Brot nicht zu er¬
werben brauchen, doch eigene Ausbildung und Thätigkeit für die Welt jeden ihrer
Tage in ernsten Anspruch nehmen. Und wer könnte alle die mannigfachen zufäl¬
ligen Veranlassungen angeben, die außer den bisher genannten Dingen noch bei¬
tragen, Müßiggang zu wecken und zu unterhalten, besonders wenn zuvor schon
Neigung dazu vorhanden war! Einer entschuldigt sich mit dem schlechten Erfolge
seiner bisherigen Thätigkeit, mit erfahrenem Undanke, mit dem Mangel an bestimmten
Geschäften oder an den nöthigen Werkzeugen dazu. Bei einem andern liegt wirklich
eine Schuld in zu vieler Nahrung, womit er seinen Körper beschwert, in unver¬
meidlichen Störungen, denen er ausgesetzt ist, oder in der Lebensart, die er gerade
führen muß. Wie viel Schuld hat nicht ein heißes Klima an der Unthätigkeit der
Menschen! Häufig tritt auch der Fall ein, daß irgend eine heftige Leidenschaft
dem Menschen alle Neigung und Kraft zur Arbeit raubt und ihn in ein dumpfes
Hinbrüten wirst.
So wie nun der Strom zerstört werden kann durch Abgrabung seiner Quellen,
so kann auch die verwerfliche Gewohnheit des Müßiggehens aufgelöst werden durch
Entfernung alles dessen, was dazu hinführt. Falk mann.
17. Der Ackerbau, eine vorzügliche Schule der Religiosität.
Der Ackerbau hat von jeher seine Lobredner gefunden. Ich will nicht Ver-
gils Bücher vom Landbau, nicht die gepriesene Ode des Horatius — ich will
keinen nennen. Denn wer preist nicht die Wichtigkeit und Wohlthätigkeit dieser Be¬
schäftigung aus eigener Ueberzeugung? In dem Ackerbau erkennen wir die Grund¬
lage aller bürgerlichen Geselligkeit und Ordnung, — in ihm die sicherste, wenn auch
nickt immer die reichste Quelle des Wohlstandes im Staat und in den Familien,
— in ihm die treue Hut vaterländischer Tugenden, — in ihm endlich eine vor¬
zügliche Schule einer frommen gottergebenen Gesinnung, die wir unter dem schönen
Namen der Religiosität begreifen.
Ich verweile einige Augenblicke bei dieser Seite des Gegenstandes, weil sie
vielleicht diejenige ist, die man sonst am wenigsten ins Auge faßt.
Ich nenne den Ackerbau eine vorzügliche Schule der Religiosität, weil dieje¬
nigen, welche sich mit ihm beschäftigen, mit den mannigfaltigsten und erhabensten
Denkmalen des Daseins und der Vollkommenheiten des Unendlichen öfter und näher
als andere umgeben sind, und weil sie durch ihren Beruf öfter und unausweichbar
an ihre Verhältnisse zu ihm erinnert werden.
Bald durch Geschäfte und Sorgen, bald durch Lockungen zum Genuß und un¬
aufhörlich durch wechselnde Erscheinungen in der Sinnenwelt hin- und hergezogen
und in sich selbst getheilt, bedarf das menschliche Gemüth öfterer Erinnerungen, ich
möchte sagen Anschauung dessen, was in allen Zerstreuungen ihm nie verloren gehen