Full text: Aus der allgemeinen Erdkunde, Länderkunde von Mitteleuropa (Teil 1)

12 Länderkunde von Mitteleuropa. 
tigen und regelmäßigen Bewegungen des Ozeanwassers, die man Ebbe und Flut 
oder mit einem gemeinschaftlichen Namen Gezeiten nennt. Zweimal im Laufe 
eines Tages steigt und sinkt der Wasserspiegel. Der Unterschied zwischen dem höchsten 
Stande, der Flut, und dem niedrigsten Stande, der Ebbe, beträgt fast Stubenhöhe 
(2—3 m). Sehr starke Fluten entstehen dann, wenn Nord-, Nordwest- oder Südwest- 
stürme die Wassermassen mit ungeheurer Gewalt gegen die Küste schieben. Solche 
Sturmfluten ragen über die gewöhnliche Fluthöhe oft um das Doppelte 
(6 m) hinaus und sind für ungeschützte Küstengebiete von verheerender Wirkung. 
Die Nordsee hat starke Gezeiten. 
B. Die Nordseeküste. 1. Da das Nordseebecken ein flaches Randmeer ist, so ist auch 
die Nordseeküste eine Flachküste, an welcher der Meeresboden wie eine schiefe Ebene 
von geringer Neigung ganz allmählich in größere Tiefen untertaucht. In vier 
größeren Buchten greift das Wasser in die Flachküste ein. Nenne sie! Ferner ist 
kennzeichnend für die Küste, daß sie ihrer ganzen Länge nach von einer Jnselreihe 
begleitet wird. Die Nordsee hat eine buchten- und inselreiche Flachküste. 
2. Wie ist diese eigenartige Küste entstanden? Einst dehnte sich das Fest- 
land bis zu den äußersten Rändern der Inseln aus, die damals also Teile der 
Küste bildeten. Im Laufe der Jahrtausende haben große Sturmfluten diese 
Küste zerstört und ihre heutige Gestalt geschaffen. Die Inseln sind also die letzten 
Zeugen des gewaltigen Kampfes, der sich hier zwischen Meer und Festland abgespielt 
hat. Um 1300 machte eine große Weihnachtsflut den ersten Riß zum heutigen D o l - 
lart. 200 Jahre später erhielt der Jadebusen seine heutige Gestalt. Wieder 
200 Jahre später begrub eine Weihnachtsflut über 10 000 Menschen und gegen 
100 000 Stück Vieh. Die Nordseeinseln sind die Reste der früheren Küstenlandschaft. 
3. Schon im frühen Mittelalter versuchten die Bewohner den Zerstörungen 
durch die Fluten Einhalt zu gebieten. Sie errichteten längs der Küste Erd- 
wälle,■ Deiche oder Dämme genannt. Doch war der Erfolg ihrer mühsamen 
Arbeit nur gering. Erst in der Neuzeit ist es gelungen, die Deiche so hoch (5—10 m) 
und so fest zu bauen, daß der „blanke Hans" sie nicht zerstören kann. Die Außen- 
böschung ist flach und oft mit Steinen gepflastert, oder mit Schanzen aus Pfahlwerk, 
mit Buschwerk und Granitblöcken versehen. Auf die Instandhaltung der Deiche wird 
die größte Sorgfalt verwendet. (Deichverband, Deichgraf, Deichgeschworene, 
Deichschau.) Deiche schützen die Nordseeküste vor der Zerstörung durch die Flut. 
4. Zwischen der Jnselreihe und der Küste liegt ein 2 bis 3 Wegstunden 
(10—15 km) breiter Meeressaum, der auf der Karte durch Punkte angedeutet ist. 
Das Wasser ist hier so seicht, daß man bei mittlerem Wasserstande an vielen Stellen 
„waten" kann, weshalb man diesen Meeresstreifen das Wattenmeer nennt. Zur 
Zeit der Ebbe wird der Boden des Wattenmeeres fast ganz vom Wasser befreit, so daß 
man trockenen Fußes von der Küste zu einzelnen Inseln hinübergehen kann. Dieser 
zeitweise trocken liegende Meeresboden heißt die W a t t e n. Wattenmeer und Watten 
nennt man zusammen das Watt. 
5. Mit dem Auftauchen der Watten zur Zeit der Ebbe entwickelt sich auf ihnen 
ein reges Leben und Treiben. Männer, Frauen und Kinder waten in den 
Rinnsalen (Prielen) und Lachen, um die zurückgebliebenen Fische zu sangen. Schnell 
füllen sich die-Gefäße mit Krabben, Krebsen, Austern, Garnelen und dem schmack¬
	        
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