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Wie malt ihnen die Freude rote Bäckchen! Doch jetzt ist's Zeit zur
Sschule. Die Kleinsten sitzen an niedlichen Spieltischen. Die Lehrerin hat
ihnen Draht und farbiges Seidenpapier gegeben, aus welchem sie bunte
Papierblumen herstellen. Wie flink regen sich die kleinen Fingerchen!
schon ist der kleine Lockenkopf da fertig und hält seine Blume mit freude—
strahlenden Augen der Lehrerin hin. Wie uns diese erzählt, beschäftigen
sich die Kleinen auch mit Flechten von Papierstreifen, mit Stäbchen—
legen; auch spielen sie mit Baukästen, Mosaikspielen usw. Sie malen,
zeichnen und lernen Buchstaben schreiben. In der nächsten Abteilung
müssen die Taubstummen auch sprechen lernen. Treten wir ein in das
Unterrichtszimmer! Die taubstummen Schüler sitzen nicht hintereinander
auf Bänken wie in der Volksschule, sondern sie sitzen auf kleinen Stühlen
an niedrigen Pultchen, die in hufeisenform aufgestellt sind. Zunächst
müssen die kleinen Taubstummen gut atmen lernen. Der Lehrer übt
mit den Schülern eine Reihe von Atmungsübungen. Es wird ein Licht
ausgeblasen; kleine Papiermühlen werden durch Blasen in Bewegung
gesetzt; Watte, Federn und Papierstückchen werden fortgeblasen. Der
CLehrer spricht den Kindern die Laute bdef usw. auf dem handrücken
vor; sie fühlen den Luftstrom beim Sprechen auf der hand und ver—
suchen nun die Laute nachzusprechen. Dies ist keine leichte Aufgabe
für den kleinen Taubstummen, und mancher Versuch mißlingt; um so
größer ist die Freude, wenn das Nachsprechen geglückt ist. Zur Beob⸗—
achtung der Mundstellungen und der Bewegungen der Zunge dient
ein großer Spiegel. Der Lehrer nimmt das einzelne Kind vor den Spiegel,
spricht ihm die Laute vor, veranlaßt das Kind, die Mundbewegungen
im Spiegel zu beobachten und die Laute nachzuahmen. Solche Sprach—
laute, die mit Stimme gesprochen werden, läßt der Lehrer von dem
Kinde an seinem Kehlkopfe, den Wangen usw. abfühlen. Beim Sprechen
der stimmhaften Laute entstehen nämlich im Kehlkopfe Schwingungen, die
als ein Zittern des Kehlkopfes und der anliegenden Organe bemerkbar
werden. Durch treue hingabe des Lehrers und durch Fleiß und Auf⸗
merksamkeit des Schülers gelingt es, im Laufe eines Jahres sämtliche
Sprachlaute und ihre Verbindungen zu Wörtern und kleinen Sätzen ein—
zuüben. Das taubstumme Kind lernt auch die Wörter und Sätze von
dem Munde ablesen, und mit hilfe des Absehens ist es in den Stand
gesetzt, in den nächsten Klassen dem Unterrichte in allen Fächern der
Volksschule zu folgen, ausgenommen natürlich das Singen. Schwer ist
die Arbeit, doch herrlich der Mühe Preis! Und der schönste Lohn?
Die Dankbarkeit einer Mutter, die mit Freudentränen ihren kleinen taub—
stummen Liebling in ihre Arme schließt, wenn er seine ersten Worte
stammelt!