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Erster Zeitraum.
seyn, oder die Kräfte, die es barg, zu gefährlich. Sie über¬
schritten den Rhein und unterwarfen sich im südlichen Gallien
— dem jetzigen Frankreich — ein Volk nach dem andern.
Aber die Röiner, den erlittenen Schimpf zu rächen bemüht
und durch so viele Jahre des Sieges an den Gedanken gewöhnt,
daß jede Gewalt sich endlich doch unter ihr Joch werde
beugen müssen, konnten den Begebenheiten im Nachbarlande
nicht ruhig zusehen, obschon sie vier Jahre bedurft hatten, sich
von dem ersten Schrecken zu erholen. Also führte der Konsul
Silanus ein neues Heer über die Alpen. Den Cimbrern
mochte die Gefahr groß scheinen oder das endlose Kriegführen
Leid seyn; daher boten sie den Römern gegen Anweisung ge¬
nügender Wohnsitze abermals Frieden und Freundschaft. Sie
wurden schnöde zurückgewiescn. Da sielen sie über den Konsul
her und vernichteten zum zweiten Male die römischen Scharen
(I. 109). Gleiches Schicksal hatte nach ihm Lucius Cassius
am Lemanischcn See (I. 107) durch die den Cimbrern ver¬
bündeten Tiguriner, unter Anführung ihres heldcnmüthi-
gen Diviko. Cassius selbst blieb auf dem Schlachtfelde
und der Rest seiner Soldaten mußte, unter daS Joch durchkrie¬
chend, sich Freiheit und Leben erkaufen. Zwei andere Heere
unter Anführung des Quintus Scrvilius Capio und des
Marcus Manlius sollten die Schmach der Römer vollenden.
Vorläufig wurde eine Abtheilung derselben unter Aurelius
Scaurus geschlagen (I. 106), letzterer selbst gefangen genominen
und, als er der Römer Schwert in seinem Stolze unbesiegbar
nannte, von des Cimbrischen Fürsten Bojorix eigner Hand
niedergehauen. Die Hauptmacht der Feinde stand indeß noch
drohend im Felde. Doch furchtbar wuchsen jetzt die Streit¬
kräfte der Cimbrer durch die Vereinigung mit ihren Brüdern,
den Teutonen, welche bis dahin für sich allein im nördlichen
Gallien gestritten hatten. Auch einheimische Völkerschaften,
ihren Vortheil nach den Umständen ermessend, hatten mit den
Fremdlingen Bündnisse geschlossen. Also saß man den Römern
mit großer Zuversicht auf der Ferse. Unter den Feldherrn der
letzteren war außerdem Uneinigkeit. Der Teutschen Muth aber
wurde nach vergeblichen Friedensvorschlägen zu wildem Zorne
entflammt. Es kam zur Schlacht. Sie war blutiger -und
schrecklicher, als eine der früher», denn von hunderttausend
Römern sollen kaum zehn Mann dem Verderben entronnen
seyn, unter diesen zu seiner Schande auch Cäpio, der strafbare
Friedensstörer im eignen Heere (I. 105).
Furchtbarer war es nach Rom noch nicht erklungen. Alles
war in Schrecken und Angst, wie wenn der Feind schon vor
den Thoren stände. Kaum war es möglich, ein neues Heer
zu schaffen, rrnd Niemand wollte sich auch an dessen Spitze