Full text: Haus und Vaterland I (Band 4 = Klasse 6, [Schülerband])

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-Nun jammert mich nichts so sehr als Rriemhild, mein Weib, und 
— daß Gott erbarme! — mein Rind, dem man vorwerfen wird, daß 
seine verwandten Mörder waren." In sehnendem Leid sprach der 
sterbende Held: „wollt Ihr, Rönig Günther, einmal auf der Welt 
einem Menschen Treue beweisen, laßt Luch mein trautes Weib, Eure 
Zchwester — befohlen sein! — — Nun mögen wohl lange, lange 
warten mein Vater und mein Volk — —." Er konnte nicht weiter 
reden. — Die Blumen waren allenthalben vom Blute naß, wo Sieg¬ 
fried mit dem Tode rang. . . . 
Über dem Rheine versank die Ionne. . . . 
Der treuste, herrlichste Held, den die Erde trug, war gestorben. 
2. Walther und Hildegunde. 
von Wilhelm liertz. 
Jer Jrankenkänig Gibicho beschloß, um die Freundschaft Etzels 
zu werben, und sandte ihm als Geisel den Hagen, einen Rnaben edeln 
Geschlechts, mit unermeßlichen Ichätzen. Ieinem Beispiel folgte Herrich, 
der Rönig von Burgund,- er überantwortete dem Hunnenkönige seine 
Erbtochter, die schöne Hildegunde. Der Rönig von Rquitanien endlich stellte 
seinen jungen Lohn Walther, der schon im Rindesalter mit Hildegunde 
verlobt worden war. Etzel ließ die Rnaben wie seine eigenen Erben 
erziehen. Sic wuchsen heran, übertrafen an Rraft die Itarken, an 
Geist die weisen und erwarben sich in den Heerzügen hohen Ruhm und 
die Liebe des Rönigs. Ruch die Jungfrau stieg in der Gunst der Rönigin 
bis zum Rmte der Schatzmeistern. 
Mittlerweile war der Srankenkönig Gibicho gestorben, und sein 
Lohn Günther verweigerte den Hunnen den Zins. Raum hörte das 
Hagen, so entfloh er nächtlicherweile, während Walther aus einer Heer¬ 
fahrt abwesend war. Von da an duldete es auch Walther nicht länger 
am Hunnenhof. Rls er eines Tages siegreich von einem neuen Rriegs- 
zuge heimkehrte, fand er in des Rönigs Gemach Hildegunde allein. 
Er bat sie um einen Becher wein und führte ihn mit der einen Hand zum 
Munde, während er mit der andern die Hand der schweigenden Jung¬ 
frau umschlossen hielt. „Gleiche Verbannung dulden wir schon so lange 
Zeit," begann er, „und wissen doch wohl, was unsre Väter dereinst unter 
sich vereinbart haben. Warum sprechen wir nichts darüber?" Sic 
nahm seine Rede für Icherz,' er aber fuhr fort: „Herne sei, daß ich dir
	        
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