Die Zeit Philipps von Macedonien.
rege politische Leben, die stetig sich mehrenden Prozesse und die Sitte, bei
gewissen Gelegenheiten wie bei der Bestattung und Leichenfeier der im
Kriege Gefallenen öffentliche Reden zu halten, ließen besonders in Athen
jene drei Gattungen von Reden sich entwickeln, die man in der Rhetorik
unterschied: die Staatsrede, die Gerichtsrede und die Prunkrede.
Feste Regeln für die Redekunst gab vor allem der Sophist Gorgias. Gorgias.
Die volle Ausbildung der .Kunst vollzog sich ausschließlich in Athen.
Dort haben die „10 attischen Redner" gewirkt, die man später als Die Mn
Muster in einem „Kanon" zusammenstellte. Unter diesen ragt hervor Redner.
Lysias, der für andere Reden schrieb und so der gesuchteste Anwalt ^Mas.
seiner Zeit wurde. Seine Reden zeichnen sich durch schlichten und knappen
Stil aus. Als Lehrer der Redekunst war berühmt Jsokrates, dessenJwrrates.
Stärke die Formvollendetheit war. Ihm steht als gewaltiger Volksredner
die großartige Gestalt des Demosthenes gegenüber, eine alle überragende Demmthe-
Rednerpersönlichkeit. Die Notwendigkeit, sein väterliches Vermögen aus
der Haud ungetreuer Vormünder zu retten, führte ihn zur Anwaltspraxis
und von dieser aus erhob er sich zu der Höhe politischer Beredsamkeit.
Nachdem er mit zäher Ausdauer die körperlichen Fehler überwunden hatte,
die ihm das erfolgreiche Auftreten unmöglich zu machen fchienen, stellte
er seine Beredsamkeit in den Dienst des Vaterlandes zum Kampfe gegen
den macedonifchen Unterdrücker. Vor anderen erkannte er die Gefahr, die
im Norden der Freiheit Griechenlands drohte. 351 eröffnete er seine
politische Laufbahn mit der ersten Philippischen Rede1) und damit«,
einen Kampf, in dein er sich das Unmögliche zutraute, eine kurzsichtige
Staatsleitung aufzuklären, die Mitbürger aus ihrer Gleichgültigkeit aufzu¬
rütteln und durch ehrliche Begeisterung für das herrliche Vaterland die
Hinneigung mancher Kreise und gar den Verrat zu besiegen. Erst all-
mählich, als auch die Wucht der Tatsachen ihm recht gab, gewann er
Einfluß. Die Masse des athenischen Volkes hatte zunächst wenig Ver-
ständnis für den Ernst der Lage; dazu kam, daß hervorragende Männer
wie Eubulus, der jahrelang Athens Finanzwesen leitete, und Phocion,
der als Mensch ebenso ehrenwert wie als Feldherr tüchtig war, für den
Frieden mit Philipp eintraten, andere wie der Redner Jsokrates für einen
Krieg gegen die Perser unter Philipps Führung schwärmten, ja sogar eirf
Redner wie Äschines offen für den Anschluß an Philipp arbeitete. Die
rastlosen Anstrengungen des Demosthenes konnten die letzte Niederlage bei
Chäronea, wo er selbst als einfacher Hoplit mitkämpfte, nicht verhindern.
Eine schöne Genugtuung gewährte dem Demosthenes der Sieg über seinen
Hauptgegner Äschines in dem Prozesse gegen Ktesiphon. der für ihn wegen
seiner Verdienste den Ehrenkranz beantragt hatte. Gegen Äschines, der
ihm diese Ehrung mißgönnte, hielt er 330 seine berühmteste Rede, die
') Später hielt er noch zwei sogenannte Philippische Reden.
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