XL Die Gemeinde und ihre Pflichten, die Genossenschaft und ihr Segen. 327
Max, der dies jetzt hörte, der den schmerzlichen Drnck der Schienen
fühlte und mit dem Beine festgebunden lag, das man in einen hölzernen
Kasten gesperrt hielt, wo er sich nicht rühren und von seiner Gesund¬
heit überzeugen konnte, glaubte endlich selber, er habe in der Betrunken¬
heit das Bein gebrochen und verschwor aus Grund des Herzens den
Wein, der die Ursache seines Leidens war. Ein Vierteljahr lang mußte
er still liegen und durfte, um das Blut nicht zu erhitzen, keinen Tropfen
Wein trinken. Der Doktor gab ihm nur dann und wann ftärienbe
Arzenei.
Endlich kündigte ihm der Doktor die Vollendung der Kur an, und
es war lustig zu sehen, wie Max sehr bedächtig, gleichwie aus Eiern,
einherging, das gebrochene Bein zu schonen. Er war von da an zeit¬
lebens ein ordentlicher Mann, der niemals mehr trank, als er ver¬
tragen konnte. Erst nach vielen Jahren erfuhr er den lustigen, aber
heilsamen Streich, den ihm seine Freunde gespielt hatten, und erst
jetzt fing er wieder an, auf dem rechten Bein fest aufzutreten.
H. Zschokke.
206. Unverhofft kommt oft.
Unsere Alten haben uns mancherlei Märlein erzählt, in denen
oftmals eine gute Lehre, ein ernsthafter Kern in scherzhafter Schale,
verborgen liegt, so zum Beispiel von jenem Schuhmacher, der nicht
gerne arbeiten, sondern lieber reich werden wollte ohne Arbeit und
deshalb einmal ins Lotto setzte. Es hatte ihm gar lebhaft von drei
Zahlen geträumt, und da war ihm gar kein Zweifel, die müßten alle
drei bei der nächsten Ziehung herauskommen; deshalb hatte er alles
Geld, das im Haushalte anfzutreiben war, darauf gesetzt und lieber
mehrere Tage dafür gedarbt.
„Weib," — sagte er zu seiner Frau, als er am Tage der Ziehung,
in seinen Sonntagsrock gekleidet, fortging, — „als ein armer Mann
verlasse ich dich, als ein reicher werde ich zurückkehren. Denn ich habe
es berechnet, wieviel der Gewinn von meinen drei Zahlen beträgt;
und sollte auch die Lotteriekasse barüber gesprengt werden, was mir ge¬
bührt, das muß man mir geben. — Da will ich nur noch eines er¬
innern. Dieser alte grüne Kachelofen da hat mich zu oft geärgert,
denn er sieht keineswegs schön aus, dazu läßt er den Rauch allzusehr
durchgehen. Wenn man meine drei Zahlen wird verlesen haben, dann
will ich mich entfernen und zu dir heimkehren, nicht aber zu Fuße,
wie du mich jetzt siehst von dir gehen, sondern wie sich's meinem
Vermögensstande geziemt, getragen in einer Portechaise (sprich Portschäs,
d. h. Tragstuhl). Siehst du nun die Portechaise vor deine Haustüre
kommen, so tue mir den Gefallen, nimm hier diesen Hammer und
schlage den Kachelofen ein. — Wir speisen heute Mittag in der
„Goldenen Ente"; morgen setzt man uns statt des alten Kachel-
gehäuses einen eisernen Ofen."
Er ging; seine gute Frau stand voller Erwartung mit dem
Hammer in der Hand am Fenster. Indes war der Mann im Rat-