Full text: Das Deutsche Reich (Teil 1)

5. Das fränkische Stufenland. 
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schränktem Maße möglich. Wie im Spessart sind die Bewohner zumeist 
auf den Anbau von Hafer, Flachs und Kartoffeln angewiesen. Neben dem 
Ackerbau werden die Rhönbewohner sich auch mit Viehzucht beschäftigen. 
Weite Strecken der Rhönhochflächen taugen gar nicht znm Anbau von Feld- 
fruchten, weil sie von großen Mooren bedeckt werden. Grünes Wassermoos 
überzieht diese Sümpfe mit einer dichten, aber schwankenden Decke, die sofort 
zusammenbricht, sobald der Wanderer seinen Fnß darauf setzt. Wilde Enten 
und Kiebitze beleben diese Moorflächen, von denen die Rhönbewohner gar 
wunderliche Sagen zu erzählen wissen. So geht von dem großen schwarzen 
und roteu Moor die Mär, daß iu ihnen versunkene Städte lägen, deren 
Glocken man zuweilen noch läuten höre. Daß die Erwerbsverhältnisse so 
ungünstige sind, liegt auch daran, daß im Nhöngebirge die Industrie fehlt. 
Die Großindustrie hat sich hier in der Rhön gar nicht ausgebreitet; es ist 
uur das Hausgewerbe vertreten. Dasselbe gewährt den Leuten aber nur 
geringen Verdienst. 
sachliche Vertiefung: Warum kann im Rhöngebirge nur 
wenig Ackerbau getrieben werden? Die hochgelegenen Teile des 
Rhöngebirges sind meist felsig-kahl oder mit Wiesen und Mooren bedeckt. 
Die Ackerkrume ist an vielen Orten sehr dünn. Das Klima ist viel rauher 
als im Spessart, denn die Rhön steigt bedeutend höher empor als dieser; 
feuchte Nebelwolken hüllen fast immer die Berge ein und senken sich auch in 
die tiefen Thäler des Gebirges. Daher kommen Obst uud Getreide im 
Rhöngebirge vielfach nicht zur Reife. 
Weshalb ist die Viehzucht im Rhöngebirge lohnender als 
der Ackerbau? Die Hochflächen der Rhön sind vielfach mit ausgedehnten 
Bergwiesen bedeckt. Diese bilden für zahlreiche Herden eine gute Weide 
uud liefern reichen Ertrag an Heu. Besonders ausgedehnt ist im Rhön- 
gebirge die Schafzucht. 
Welches Leben mag wohl zur Zeit der Heuernte auf den 
Bergwiesen herrschen? Wie in nnserm Holzland die Heidelbeerernte 
und im Mainthal die Weinlese, so ist in der Rhön die Heuernte für die 
Bewohner ein Fest. Da ziehen die Bewohner der Rhönorte zu Berge, um 
das Gras der ausgedehnten Wiesen abzumähen. So lange die Henernte 
währt, bleiben Männer und Frauen auf den öden Hochflächen, wo sie in 
den aufgeschlagenen Zelten notdürftig Schutz und Unterkunft finden. Die 
Kinder und die alten Leute bleiben in den Dörfern zurück. Vom frühen 
Morgen bis znm späten Abend schwingen dann Burschen uud Mädchen die 
blinkende Sense, und von allen Abhängen herab schallen die lauten Jubel- 
rufe der lustigeu Schnitter und Schnitterinnen. 
Aber ist die Heuernte auf der Hochfläche nicht mit großen 
Anstrengungen und mancherlei Gefahren verbunden? Gewiß ist 
die Heuernte auf den Bergen sehr anstrengend und zuweilen auch recht ge¬ 
fahrvoll. Die Nächte sind trotz der Sommerszeit sehr kühl; oft wechselt die 
Witterung ganz plötzlich. Die dichten Rhönnebel, die oft tagelang über der 
Hochfläche lagern, und die brausenden Stürme, die über die baumlosen Ge- 
birgswiesen hinwegjagen, erschweren den Aufenthalt auf der Höhe. Infolge 
der wechselnden Witterung geht die Heuerute nur langsam von statten. Ist
	        
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