50 I. Abschnitt. Die Landschaften und Staaten Süddeutschlands.
Zeigt sich in den beiderseitigen Zuflüssen nicht mancherlei
Verschiedenheit? Die Zuflüsse, welche der Wasgenwald zum Rheine
sendet, sind meist nicht so lang als die -Schwarzwaldflüsse. — Auch au
Wasserfülle stehen die Wasgenwaldbäche den Schwarzwaldbächen nach, und
es kommt im Sommer nicht selten vor, daß die Wasgenwaldbäche zu ver-
siegen drohen.
Worin ist dieser Unterschied begründet? Der Schwarzwald
ist kein Kammgebirge wie der Wasgenwald. sondern gleicht mehr einem
Hochplateau mit aufgesetzten Kuppen. Die Wasserscheide liegt im Schwarz-
walde ziemlich weit im Osten. Der Wasgenwald dagegen ist ein Kamm-
gebirge (wenigstens in seinem südlicheu und mittleren Teil), das seinen
kurzen, steilen Abhang dem Rheine zukehrt. Aus dem kurzen Abhänge aber
können sich auch nnr kurze Flußläufe entwickeln. — Daß die Wasgenwald¬
bäche nicht so wasserreich sind, rührt daher, daß ans dem östlichen Abhänge
des Wasgaues nicht so reichliche Niederschläge fallen als auf der West-
seite des Schwarzwaldes. (Die Regenwolken, die von Westen kommen,
werden am Westabhange ausgehalten und gezwungen, einen großen Teil
ihres Wassergehaltes fallen zu lassen. Bei Kolmar beträgt die jährliche
Niederschlagsmenge ca. 500 mm, im Breisgan aber ca. 1000 mm, auf den
Höhen ist diese Menge natürlich noch stärker.)
Welchen Einfluß haben Gesteinsbau und Wasserreichtum
aus die Bodenfruchtbarkeit ausgeübt? Die Gesteine, welche die Ge-
birge aufbaueu, bilden bei ihrer Verwitterung einen tiefgründigen fruchtbaren
Erdboden, namentlich Gneis, Granit und Porphyr; aber auch die Ver-
Witterungserde des Buntsandsteins ist nicht unfruchtbar. Sie eignet sich, wie
wir bereits wissen (Saal-Elsterplatte!), ganz besonders für den Waldbau.
Der Fruchtbarkeit des Bodens und der großen Feuchtigkeit ist die Üppigkeit
des Baum- und Graswuchses zuzuschreiben.
Welche Bedeutung haben Wald und Wasser für die Be-
wohner der Gebirge? Wald- und Wasserreichtum der Gebirge haben
die Entwicklung mancher Erwerbszweige begünstigt. Zahlreiche Holzfäller
schlagen die riesengroßen Tannen und Fichten nieder und flößen dieselben
auf den wasserreichen Gebirgsslüssen hinab zum Rheine, zur Jll, zum Neckar
oder zum Maine. Hier werden sie zu großen Flößen vereint und sodann
rheinabwärts bis nach Holland gebracht, wo man das Holz besonders zu
Schisssbauten verwendet. — Der Holzreichtum des Gebirges hat eine mannig-
fache Holzindustrie hervorgerufen, ähnlich wie im Thüringer Walde. (Aus-
malen!) An den Gebirgsbächen findet man zahlreiche Sägewerke, Mühlen
und Glashütten. Im dunklen Hochwalde aber baut der rußige Köhler
seine Meiler und brennt hier in der Waldeinsamkeit die Holzkohle. — Im
Schwarzwald hat sich außerdem noch die Uhrenfabrikation entwickelt; da
werden in vielen Gebirgsorten die berühmten Schwarzwälder Uhren ver-
fertigt (z. B. die Kuckucks- und Wachtelnhren), die sich durch schönes Schnitz-
werk vor allen anderen auszeichnen. — Das klare Wasser der Gebirgsbäche
uud die weiteu Wiesenslächen begünstigten die Entwicklung der Leineweberei,
und die starke Wasserkraft der Bäche ermöglichte die Anlage von Spinnereien