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unter Menschen, sondern meistens unter Abstractionen bewegen. Aber
das felsenfeste Vertrauen in den endlichen Sieg des Gesetzes und
der Freiheit, die ernste Würde der Gedanken, eine von freisinniger
Philosophie gemilderte puritanische Sittenstrenge erzwingen Achtung,
wenn sie auch kein Herz gewinnen. Was die Tendenz betrifft, so
schlagen hier die sämmtlichen Ansichten durch, die principiel seine
Politik geleitet haben. Die wesentlichen Faetoren des modernen
Staates sind ihm die Würde und Macht des Königthums und die
Intelligenz des gebildeten Mittelstandes; die Masse des Volkes be¬
trachtet er mit Mißtrauen, ja, mit kaum verhehltem Widerwillen,
und für die wirthschaftlichen Bedingungen des Völkerlebens und der
geschichtlichen Entwicklung hat er sehr wenig Sinn. Sein Stil ent¬
hält sich absichtlich jedes schmückenden Beiwerks und rhetorischer Zu-
that, ist von elastischer Reinheit und nur manchmal aus Neigung zu
generalisiren der Schärfe und Bestimmtheit entbehrend.
Den Ton der Autorität und der Würde, mit dem Guizot in
seinen Büchern spricht, hat er auch auf die Tribüne mitgenommen;
edle und einfache Geberden verstärkten den Eindruck seiner würde¬
vollen und meistens schmucklosen Rede, und die starre Ruhe seines
Aeußeren schien stets von einem Gefühle der Unfehlbarkeit eingegeben
und von einer niedergehaltenen und doch herrischen Leidenschaft durch¬
glüht zu sein. Am größten war er stets, wo er mit dem vollen
Bewußtsein seines Jchs dem Sturme einer tobenden Menge entge¬
gentrat, wie damals, wo er der Opposition, die ihn stundenlang
nicht zu Worte kommen ließ, zudonnerte: „Sie können meine Stimme
erschüttern, aber nicht meinen Muth!" oder zu einer andern Zeit,
wo er denjenigen, die ihm die Reise nach Gent vorwarfen, zurief:
„Ihre Beleidigungen werden nie die Höhe meiner Verachtung erreichen!"
Guizot ist seit 1832 Mitglied der Akademie der moralischen und
politischen Wissenschaften, seit 1833 Mitglied der Akademie der In¬
schriften und seit 1836 Mitglied der französischen Akademie.
15. Adolf Thiers.
(Nach „Männer der Zeit", zum Theile bearbeitet vom Herausgeber.)
Adolf Thiers, wie Guizot, in der doppelten Stellung als Staats¬
mann und Geschichtschreiber hervorragend, ward am 16. April 1797 in
Marseille geboren, wo sein Vater Schlosser war. In früher Jugend zeigte
er viele Hinneigung zum Militürstande; da aber der Sturz Rapoleon's
den glänzenden Aussichten in diesem Stande ein plötzliches Ende machte,
so wählte er die juristische Laufbahn und machte seine Studien in
Aix, gleichzeitig mit Mignet. Als Advocat ohne besonderen Erfolg,