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Die Webeindustrie steht gleichfalls in hoher Blüte. Die
Wollenweberei verarbeitet neben der einheimischen Wolle auch große
Mengen ausländischer. Ihre Hauptsitze sind Schlesien, die Niederlausitz,
Thüringen, das Wupper- und das Ruhrgebiet und der Aachener Bezirk.
Die Baumwollenindustrie wird namentlich im Oberelsaß, in Augsburg, im
Erzgebirge und in der Lausitz getrieben. Die Leinenindustrie hat in
den Sudeten, in der Oberlausitz und in der Gegend von Bielefeld Ver-
breitung gefunden. Mittelpunkte der Seidenindustrie sind Krefeld, Elber-
feld-Barmen und Mülhausen. In neuester Zeit hat auch die Juteindustrie
einen bedeutenden Aufschwung genommen. (Jute ist eine indische Pflanze,
deren Faser zu Packstoffen, Säcken, Gardinen u. dgl. verarbeitet wird).
Von den übrigen Industriezweigen ist zunächst die Holzindustrie
bedeutend, die Möbel, Spielwaren, Holzschnitzereien n. dgl. liefert. Wichtig
ist auch die Fabrikation von Instrumenten, z. B. Klavieren, Geigen, Orche-
strions u. s. w. In der chemischen Industrie hat Deutschland alle anderen
Länder überflügelt; zahlreiche Fabriken beschäftigen sich mit der Her-
stellung von Apothekerwaren, Drogen, Farbstoffen, künstlichen Dünge¬
mitteln, Sprengstoffen n. s. w. Den ersten Platz nimmt auch Deutsch
lands Papierindustrie ein; durch die Ausfuhr von Papierwaren
werden jährlich 70 Mill. Mark ins Land gezogen. Besondere Er-
wähuung verdient endlich noch die Industrie der Nahrungs- und Ge¬
nußmittel. Rübenzucker liefern Magdeburg, Braunschweig und An-
halt, Bier München, Kulmbach, Erlangen, Frankfurt a. M., Dortmund,
Berlin u. ct. Spiritus wird in mehr als 30000 Brennereien gewonnen.
2. Einfluß der Industrie auf das Wirtschaftsleben. 1. Die Industrie
ermöglicht eine ausgiebige, zweckmäßige Verwertung der Bodenschätze.
2. Sie liefert uns eine Menge wichtiger Nahrungs- und Genußmittel und
der verschiedensten Gebrauchsgegenstände. 3. Da die Industrie ihre Erzeug-
msse wohlfeil und in großer Masse herstellt, so macht sie die Segnungen der
Kultur auch den breiten Volksschichten zugänglich. Infolgedessen erhöht
sich der Verbrauch, was wieder eine größere Produktion und vermehrte
Arbeitsgelegenheit zur Folge hat. 4. Tausenden von Menschen gewährt
die Industrie lohnende Beschäftigung. Besonders ihr ist es deshalb zu
verdanken, daß der Volkswohlstand in den letzten Jahrzehnten schnell
gewachsen und die Lebenshaltung wesentlich besser geworden ist. Der
gewöhnliche Arbeiter lebt heute so gut wie ehedem der wohlhabende
Bürger; viele Gebrauchsgegenstände, die man früher nur in dem Hanse
der Reichen antraf, findet man heute unch in der Wohuuug des Armen.
5. Die Industrie hat zu einer Anhäufung der Bevölkerung in den Städten
geführt. 1871 zählte Deutschland 8 Großstädte mit 2 Mill. Einwohnern;
heute hat es bereits 34 Großstädte mit 9^2 Mill. Einwohnern.
3. Berufszweige. Nach der Berufszählung von 1895 kommen auf,
Landwirtschaft und Forstwirtschaft 18 lj» Mill. =35,7°/o.
Bergbau und Industrie 20 V* „ = 39,1 °/o.
Handel und Verkehr 6 „ = ll,5°/o.
Deutschland war früher ein Ackerbaustaat. In den letzten Jahr-
zehnten hat die Industrie jedoch einen derartigen Aufschwung genommen,