Lehrreiche Erzählungen. 33 
Einst saß Sabine im Garten und bleichte Leinewand. Da 
kam ein Fremder zu ihr und ließ sich mit ihr in ein Gespräch ein. 
Er fragte vielerlei: wo die Eltern Hingereiset wären? wenn sie 
zurückkämen? ob sie mit der Magd allein bliebe? ob sie reich 
wären? ob sie den Reichthum recht verwahrt hätten? ob sie einen 
Hund hätten? u. s. w. Ein verständiges Kind hätte sich auf solche 
Fragen von einem ganz fremden Menschen gar nicht eingelassen, 
sondern würde vielmehr die Magd gerufen, oder sich erkundigt 
haben, zu wem er wollte. So viel konnte das zwölfjährige 
Sabinchen wohl wissen, daß es auch Menschen gibt, gegen die 
man schweigen muß, und denen man nicht Alles anvertrauen darf, 
wie etwa Eltern oder treuen Freunden. Aber der Mann erfuhr 
von dem planderhaften Mädchen, daß ihre Eltern erst nach zwei , 
Tagen von einer Hochzeit znrückkämen: daß sie mit der Magd 
allein bliebe; daß der Hund Phylar heiße, wo das Geld wäre, 
und daß die Magd Abends die Schlüssel unter das Kopfkissen 
verstecke. Leb' wohl, mein Kind! sagte er; leb' wohl, ich sehe 
dich bald -wieder. 
Und es traf ein. Der Fremde war ein Räuber und kam die 
Nacht mit einigen Gehülfen ins Haus. Sie lockten den Hund 
an sich, banden Sabinen den Mund zu, und sagten zu der Magd, 
sie sollte Alles ausschließen. Diese sagte, sie hätte die Schlüssel 
nicht. Sie sind unter deinem Kopfkissen, sagte der eine Räuber, 
und nun wurden die Kisten und Schränke mit Bequemlichkeit 
ausgeleert. Am andern Morgen mußten erst andere Leute, die 
ins Haus kamen, Sabinen und der Magd die Stricke abnehmen, 
womit sie gefesselt waren. Sabine erzählte nun der Magd, was 
ihr gestern im Garten begegnet wäre. Ach! wie beklagte sie und 
ihre Eltern das Unglück, das durch diesen Fehler entstanden war. 
§. 14. Ein fremder Garten ist nicht Dein Garten. 
46 Michael, ein hübscher Bauernknabe, wurde von seinen Eltern 
oft in dw Stadt geschickt. Einst führte ihn sein Weg vor dem 
Garten eines angesehenen Mannes vorbei. Er sah durch das 
Stacket, wo mancherlei sehr schöne Blumen, auch Baume mit 
Citronen und andere Gewächse waren, die er auf dem Dorfe noch 
nie gesehen hatte. Er empfand große Lust, in den Garten zu 
gehen; aber er wagte es nicht ohne Erlaubniß. Endlich sah er 
den Gärtner, erfaßte Muth und sprach: Herr Gärtner, ich möchte 
mich gern ein wenig im Garten umsehen. Der Gärtner sah ihn 
an und antwortete: Du scheinst mir ein ehrlicher Knabe zu sein, 
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