Metadata: Der Weltkrieg 1914/15 in der Volksschule

2. Die Mobilmachung. 
Es war Hochsommer, als die Schreckenskunde von dem drohenden Kriege 
sich verbreitete. Viele Menschen waren auf Neisen, bei Verwandten oder in 
Sommerfrischen. Noch mehr als die daheim Gebliebenen wurden sie von der 
Unruhe erfaßt. Sie wußten: Wird das Gefürchtete zur schrecklichen Tatsache, 
dann ist das Neisen erschwert, dann braucht man die Züge vorerst nur zur 
Beförderung des Militärs. 
Nachdem der Kriegszustand über Deutschland verhängt war, schien es, als 
ob auch der Himmel über Deutschland von dicken schwarzen Wolken verdeckt 
sei. Eine wahre Gewitterschwüle herrschte allerorten. Scheu blickte man auf 
jede Airschlagssäule, hastig verlangte man nach Zeitungen. Was wird die 
nächste Stunde bringen? Bis es da endlich zu lesen war: 
„Ich bestimme hiermit: 
Das deutsche Heer und die kaiserliche Marine sind nach Maßgabe des 
Mobilmachungsplanes für das deutsche Heer und die kaiserliche Marine 
aufzustellen. 
Der 2. August 1914 wird als erster Mobilmachungstag festgesetzt. 
Berlin, den 1. August 1914. 
Wilhelm I. R. 
o. Bethmann Hollweg." 
Merkwürdig: die Gewitterwolken am Himmel des deutschen Volkes, die 
doch nun naturgemäß hätten dunkler und drohender werden müssen, zerrissen 
plötzlich. Der Himmel schien heiter und blau. Die bange, enge deutsche Brust 
weitete sich in einem tiefen Atemzüge, die Spannung löste sich. Ein ungeheurer 
Jubel brach aus. Jubel? Ja, weil man fühlte, daß der Druck unerträglich 
geworden war. „Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende." 
— Die noch Bangen und Zaghaften wurden von den Beherzten, Mutigen 
mit fortgerissen. Das war ein Leben! Wer von den Sommerfrischlern noch 
nicht auf dem Heimweg war, der machte sich so schnell wie möglich reisefertig; 
denn der 2. August war der erste Mobilmachungstag, von da ab wurden 
Privatpersonen nur in sehr beschränktem Maße befördert. Berge von Gepäck 
türmten sich an den Bahnhöfen auf. Aber alle kamen glücklich nach Hause, und 
auch die vielen Gepäckstücke fanden sich vor und nach bei der richtigen 
Adresse ein. 
Schlimm stand's um die Deutschen im Ausland. Ihre Heimreise ging 
nicht so glatt von statten. Sie wurden zu Beginn des Krieges ausgewiesen 
und fanden zum Teil ganz unerträgliche Behandlung. Die Wohnungen und 
Geschäftshäuser der Deutschen wurden geplündert und verwüstet. Die Aus¬ 
gewiesenen waren vielfach auf der Straße kaum ihres Lebens sicher. Sie 
wurden vom rohen Volke verhöhnt, beschimpft und mißhandelt, gestoßen, 
getreten, oft auch ihres Gepäckes und Geldes beraubt. Zu Taufenden wurden 
sie in die Züge gepfercht, wo sie kaum atmen konnten. An der Grenze wurden 
ihr Gepäck und ihre Kleidung auf die unverschämteste Weise untersucht. Von 
solch grausamen Taten geben Briefe Zeugnis, die man ohne Tränen des Mit¬ 
leids und des Zornes nicht lesen kann. 
Dann kamen die Militärzüge ins Rollen. — Jeder Soldat hat auf seinem
	        
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