Full text: Deutsche Kulturgeographie

21. Die deutsche Industrie. 97 
wirtschaftlichen Wettstreit, rvie sie kaum eine andere Nation auf- 
weist. Die deutsche Arbeitskraft führt die deutsche 
Industrie zu einer weltbeherrschenden Macht. 
Die Landwirtschaft als Erwerbsquelle hat angesichts der 
außerordentlichen Entwicklung unserer wirtschaftlichen Verhältnisse 
naturgemäß an Bedeutung verlieren müssen. Heute ernährt sich 
nur noch ein Drittel unserer Bevölkerung durch landwirtschaftliche 
Betätigung, während zwei Drittel in der Industrie, im Handel 
und in andern städtischen Berufen Unterkunft finden. Gleichwohl 
ist der Streit, ob Deutschland ein Agrar- oder ein Industriestaat 
sei, müßig. Nicht auf das zahlenmäßige Ubergewicht des einen 
oder des andern kommt es an, sondern auf die Bedeutung der 
großen Gewerbezweige für das gesamte wirtschaftliche und in 
weiterer Folge für das politische Leben des deutschen Volkes. 
Verschiedene wirtschaftlich schlechte Zeiten (Krisen) haben gezeigt, 
welchen Wert eine blühende Landwirtschaft für die Industrie 
besitzt, wie durch eine gesteigerte Aufnahmefähigkeit der landwirt- 
schaftlichen Schichten die Krisen gemildert worden sind. Neben 
diesem wirtschaftlichen Gesichtspunkt erheischen aber auch gewichtige 
staatliche, soziale und kulturelle Erwägungen die Erhaltung einer 
leistungsfähigen Landwirtschaft. Damit soll keineswegs die ge- 
wältige Bedeutung der Industrie und des Handels für die Wohl- 
fahrt unsers Volkes unterschätzt werden. 
Aus der Tatsache, daß gegenwärtig ein Drittel des deutschen 
Volkes von der Landwirtschaft lebt, während es noch bis vor 
etwa fünfzig Jahren zwei Drittel waren, ergibt sich ohne weiteres, 
in welchem Umfange die außerordentlich gewachsene Bevölkerung 
Deutschlands in der erwerbstätigen Beschäftigung außerhalb der 
Landwirtschaft Arbeit und Lohn gefunden hat. Der steigende 
Überschuß der Bevölkerung, der keine ausreichenden Erwerbs- 
Möglichkeiten im Lande sich zu erschließen vermochte, mußte nach 
fremden Ländern Abfluß suchen. Bis in die achtziger Jahre des 
vergangenen Jahrhunderts erreichte die Auswanderung eine be- 
ängstigende Höhe. Wenn seitdem die Zahl der Auswanderer mehr 
und mehr sank, so ist diese erfreuliche Erscheinung ohne Zweifel 
dem überraschenden Aufschwung der Industrie zu danken. Die 
deutsche Industrie ist kein Erzeugnis künstlicher Maßnahmen, keine 
Treibhauspflanze, sondern sie ist ein mächtiger Baum, der, in ge- 
sundem Boden wurzelnd, kräftige Aste treibt und reiche Früchte trägt. 
Die verschiedensten Industriezweige sind über ganz Deutsch- 
land verbreitet. Indessen zeichnen sich einige größere Gebiete als 
Industriezentren besonders aus. Im allgemeinen steht ein 
industrieller Westen einem mehr Landwirtschaft treibenden Osten 
gegenüber. Da, wo Kohle und Eisen verschwistert vorkommen, 
sind die bedeutendsten Sitze der Industrie emporgewachsen; Haupt- 
sächlich sind daselbst die mannigfaltigsten Zweige der Eisenindustrie 
gefördert worden. Das Rheinisch-westfälische Industrie- 
gebiet längs der Ruhr, an der Wupper, an der Sieg und am 
Eckert, Deutsche Kulturgeographte. 7
	        
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