114 III. Die materiellen Grundlagen der deutschen Kultur.
und England zurück. Jetzt zählt Deutschland auf dem Gebiete
des Telegraphenrvesens zu den am weitesten fortgeschrittenen
Ländern. Die Länge der Drähte, l3/4 Million km, übertrifft
das englische Telegraphennetz um das doppelte, das französische
um das dreifache. (Uber die Anzahl der Telegramme vgl. stat.
Anh. XXV.)
Wie die Telegraphie ist auch ihre jüngere Schwester, die
Telephonie, in Deutschland im Gegensatz zu mehreren andern
Ländern von Anfang an eine staatliche Verkehrseinrichtung
gewesen. Der eigentliche Erfinder des Fernsprechers
war der Deutsche Philipp Reis. Sein im Jahre 1861
erfundener Apparat wurde aber erst durch die Verbesserung von
Graham Bell in Boston 1877 gebrauchsfähig. Das Deutsche
Reich marschiert im Fernsprechwesen an der Spitze aller europäischen
Mächte, und Verlin steht mit seinen Telephonanlagen an der
Spitze aller Städte der Erde. Die Länge der Drähte des deutschen
Sprechnetzes beträgt über 4 Millionen km, d. h. das vierfache
des französischen und das sechsfache des englischen Sprechnetzes.
Die Gesamtzahl der von den deutschen Fernsprechstellen vermittelten
Gespräche beträgt reichlich ll/2 Milliarden (vgl. stat. Anh. XXV).
Die deutschen Kabellinien sind in der Verkehrs-
gefchichte ein Ruhmesblatt, auf das Deutschland stolz sein kann.
Sie sind in der Hauptsache auf Grund einer ersten Versuchslinie,
die 1876 erbaut worden ist (von dem Carlswerk in Mülheim
a. Rh.), in der Zeit von 1876 bis 1881 angelegt worden. Als-
dann hat erst Frankreich und späterhin England ein unterirdisches
Telegraphennetz ausgebaut. (Über die Überseekabel und Funken-
telegraphie vgl. S. 116.)
Deutschland hat zuletzt auch an der Entwicklung des modernsten
Verkehrsmittels, des Luftschiffes, ganz hervorragenden Anteil
genommen. Den Ruhm, das Geburtsland der Aeronautik zu
sein, beansprucht mit Recht Frankreich, aber in der Konstruktion
von lenkbaren Luftschiffen, die teils Kriegs-, teils Verkehrszwecken
dienen, ist Deutschland bahnbrechend geworden. Mit Stolz wird
hier jeder Deutsche auf den Grafen Zeppelin blicken, _ dessen
unermüdlicher und bewundernswerter Ausdauer und Arbeitskraft
es gelungen ist, das Luftschiff dem Willen des Menschen dienst-
bar zu machen. Graf Zeppelin war auch der erste, der die
Wichtigkeit des Luftschiffes im Dienste der Kultur erkannte und
in die Tat umsehte. Wenngleich das erste Verkehrsluftschiff
„Deutschland" bei emer Fahrt in stürmischem Wetter im Teuto-
burger Wald verunglückte, so hat uns dies durchaus nicht entmutigt
und abgehalten, auf dem einmal beschrittenen Weg weiter zu
schreiten; und daß es ein richtiger Weg ist, beweisen die groß-
artigen Flugleistungen der neuen Verkehrsluftschiffe „Schwaben"
und „Victoria Luise". An dem Wettkampf in den Lüften sind
wir fernerhin mit Flugmaschinen, mit den verschiedenartigsten
Fliegern beteiligt. Auch die „Flieger" fangen jetzt an, Verkehrs-
zwecken zu dienen.