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gegen die Mauertürme. Zahllose Arme schaufelten Dämme
durch den tiefen Wallgraben und schleppten Sturmleitern
heran. Da pochte denn doch den wismarschen gewaltig das
Herz. Angsterfüllte Gesichter waren überall auf den Straßen
zu sehen. Der Hat trat zusammen und beschloß, Heinrich die
Übergabe anzubieten. Als dies Angebot von dem Löwen an-
genommen wurde, atmete jeder Städter erleichtert auf. Doch
das dickste (Ende kam nach. Fürst Heinrich griff gehörig nach
dem wismarschen Geldbeutel und erklärte dann ganz bestimmt,
daß er sich nunmehr in der Stadt eine feste Burg nebst Bergfrit
bauen werde. Bürgermeister und Ratsherren rangen bei dieser
Mitteilung die Hände und suchten den Löwen durch Oer-
sprechungen von seinem vorhaben abzubringen, vergebens!
Fürst Heinrich blieb unerbittlich; und Wismar mußte sich
fügen.
Des Löwen Mut war nach diesem Erfolge gewaltig ge-
stiegen. Als darum König (Erich, der am Kriegführen gegen
Rostock behindert war, ihn fragte, ob e r dazu bereit fei, sagte
er sogleich zu. Nun wurde er von dem Dänenkönig zu seinem
Stellvertreter und zum Landeshauptmann ernannt und griff
die Sache sofort mit fester Hand an. Es war ihm von Anfang
an klar, daß er feine Gegner nur bezwingen konnte, wenn er
ihren Handel lähmte. Deshalb beschloß er, ihren Zugang
zum Meer bei Warnemünde zu sperren, wie bei der Be¬
lagerung Wismars, so bot er auch hier die ganze Bauernschaft
auf. von allen Seiten mußten Steine, Balken und Bretter
herangefahren werden. Taufende von Händen griffen zu
und wälzten oder warfen Felsen in die Warnow, daß es nur
so spritzte. Nicht eher ruhte die Arbeit, bis ein ordentlicher
Steindamm durch den Fluß hindurchführte. So, ihr Rostocker,
daran können eure Schiffe sich die Köpfe einrennen!
Um den Gegnern die Möglichkeit zu nehmen, die Sperre
zu beseitigen, mußte ein starker Schutz hergestellt werden.
Der Löwe ließ deshalb an beiden Seiten des Stromes aus
Balken und Bohlen einen Turm bauen, der mehrere Stock¬
werke hatte. Zur Verbindung zwischen beiden Festen wurde
eine Brücke über die Warnow geschlagen. Nachdem der Löwe
noch eine genügende Mannschaft in die Türme gelegt, für
jede Feste einen Befehlshaber ernannt und reichliche Nahrungs¬
mittel, Armbrüste und Bolzen, Bogen und Pfeile heran¬
geschleppt hatte, setzte er sich zu Roß und sprach zu der Be¬
satzung: „Jetzt tut eure Schuldigkeit und sorgt dafür, daß kein
Rostocker Schiff in die Fluten der Ostsee taucht." Dann zog
er in sein Land.
Aber kaum war er fort, fo gingen die Rostocker energisch
daran, die verhaßte Sperre aufzuheben. Eine kleine Flotte,
die mit Belagerungsmafchinen, mit Waffen und Mannschaften