Weinorte. 87
Aber das Morgenroth von Oestrich erlosch und glänzend stieg der Stern
von Eltville empor. Ueber den malerisch gelegenen Häusergruppen liegt, rings
umgeben von glitzerndem Rebenlaub, der goldene Saphir des Rheingaues,
die Hochburg der Weinkultur — das Schloß Johannisberg. „Benedikts
Söhne, sie lieben sonnige Höhen", und deshalb ließen die Benediktiner sich auf
dem „Bischofsberge" nieder im Anfang des 12. Jahrhunderts, geführt von dem
renmüthigen Erzbischof Ruthard, der durch solch fromme Stiftung seine Mord-
thaten an den rheinischen Juden sühnen wollte, die er, der Erzbischof von Mainz,
mit dem Leininger Trafen Emicho und dem Rheingrasen Richo zur Vorbereitung
ans deu Kreuzzug verübt hatten.
Aus böser Saat entstand goldene Frucht. Mag schon Karl der Große
am Abhang des vorspringenden Berges edle Reben gepflanzt haben, mit Sicher-
heit weihte seine Halden und sein Haupt Hrabauus Maurus dem Dienste der
Kirche und erbaute obeu eiue Kapelle dem heiligen Nikolaus. Die neue „Sühne-
kirche" ward 1030 am 24. Jnni dem Täufer Johannes geweiht, daher des
Berges Name. Der Klosterwein und die große Messe, die an Johannissonnen-
wende hier die Mainzer Kanslente halten mußten, machten die Propstei bald zu
einer der reichsten und üppigsten im Rheinlande. Das Siechenhaus und Pflege-
haus hier auf sonniger Höhe gehörte zu einem der ersten ans deutschem Boden,
und die Schenkungen der „Siechen" und der „Aussätzigen" vermehrten noch
des Klosters Schätze. Allein trotz der gefundenen „heiligen Lanze" und ihrer
Wnnderthaten und der massenhaften Wallfahrten kam das Kloster bis Ende des
14. Jahrhunderts auf „Zahluugseiustelluug" herab. Die Bauernmönche vom
Disibodeuberge im Nahethale halfen mit Fleiß und Arbeit des Klosters Noth-
ständen ab. Allein bald mußten nach wieder eingetretener Völlerei die üppigen
Mönche ganz entfernt werden, und vom Konvente zu St. Jakob zu Mainz
kamen andere Brüder. Albrecht von Brandenburg brandschatzte 1552 mit seinen
Horden die „fetten Bäuche" und ließ die Gebäude in Flammen aufgehen; die
Sterbeglocke des Johannisberges erschallte damals im Rheingau. 1716 ward
der Fürstbischof von Fulda Eigenthümer der Ruine, und aus den Trümmern
entstand ein fürstlich-Waldendorf'sches Schloß, der Bau der Gegenwart mit
seinen zopsigen Linien. Napoleon schenkte Schloß und Gut 1805 dem Marschall
Kellermann; er war recht freigebig mit fremdem Eigenthum. 1816 verlieh das
ganze kostbare Besitzthum Kaiser Franz II. dem Fürsten Metternich, dem Lenker
der europäischen Geschicke, nach Napoleon's Untergang als Manneslehen.
Seitdem wich der Einfluß Oesterreichs nicht aus diesem Gau, bis das
Jahr 1866 reine Wirtschaft machte. Die Lose aber über Reiche und Fürsten,
sie mögen hier oben manchmal erwogen worden sein! — Auf 53 Morgen
Weinbergs, die im Halbkreis das weißglänzende, restanrirte Schloß der Familie
Metternich umgeben, gedeiht die Blume der Rheinweine. An Arbeiten und
Verbesserungen wird in den mit peinlicher Regelmäßigkeit gehaltenen Zeilen
nicht gespart. Die Schloß-Johannisberger Kabinetsweine besitzen auch die vor-
züglichsten Eigenschaften: Süße und Würze, verbunden mit Reinheit des Geschmacks
und Lieblichkeit des Bonquets. — Von der Plattform bietet fich dem Beschauer
die großartigste Fernsicht des ganzen Landes bis zu den Vogesen und des
Hunsrücks Kämmen, bis zur 938 m ho Heu Wildenburg und zum breit-
scheiteligen Donnersberg. Sieh', eben vergoldet die sinkende Abendsonne die