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Krrverbsquell'en.
§ 43. Landwirtschaft und Gartenbau stehen in den Niederlanden in
hoher Blüte, indem jedes Quadratmeter Boden mit sprichwörtlicher Sorgfalt
ausgenutzt wird. Der fruchtbare Lehm der Marschen giebt hohe Erträge an
Getreide, Krapp, Cichorie, Flachs, Zuckerrüben und Tabak; Gemüse, Blumen und
Blumenzwiebeln werden in Menge ausgeführt. Der dürre Geestboden bringt
nur Kartoffeln, Buchweizen, Hafer und Roggen hervor. Von der blühenden Vieh-
zucht zeugen auf den Wiefeumooren die schönen Rinder holländischer Rasse nnd die
schweren Pferde, auf deu Heiden der Geest die Schafherden. Durch ausgezeich¬
nete Butter- und Käsebereitung (Holländer, Limburger, Edamer) hat dieser Er-
werbszweig (Holländerei) seit alters auch im Anstände guten Rnf. An den Küsten
herrscht bedeutender Heringsfang. — Natürliche Bodenschätze fehlen dem Lande
mit einer Ausnahme (Kohlen bei Maastricht) ganz; das Brennmaterial ist des-
halb hauptsächlich Torf. — Infolge dieses Mangels beschränkt sich die Industrie
besonders auf die mit der Schiffahrt zusammenhängenden Gewerbe (Schiffbau, Tau-
und Segeltuchfabrikation). Dazu kommen Tabakverarbeitung, Diamantschleiferei,
Branntweinbrennerei (feine holländische Liköre) n. a. — Der Wohlstand
Hollands beruht ans seinem Handel. Die günstige Lage an der Mündung
des bedeutendsten mitteleuropäischen Stromes, der drittgrößte Kolonialbesitz
unter den europäischen Staaten und die Armut des Landes an inneren Hilfs-
quellen haben die Bewohner von jeher auf die See verwiesen und das Land
zu einem Handelsstaate und einem Hafenlande für die Tropen gemacht. Die
das Mutterland au Umfang 60 mal übertreffenden Kolonien liefern ihm als
Ausfuhrartikel Reis nnd Kaffee, edle Gewürze, Baumwolle, Kakao und
Zinn. Die Einfuhr erstreckt sich ans Getreide und den Rohbedarf der In-
dnstrie. Deutschland empfängt aus deu Niederlanden besonders Gemüse,
Butter, Käse, Vieh und Fische und importiert Steinkohlen, Werk- und Ziegel»
steine, Maschiueu und Brntholz*).
Verfassung, MerooHner und Städte.
§ 44. Die Niederlande bilden ein in 11 Provinzen geteiltes konstitutiv-
uelles Erbkönigreich. Ihr Gebiet beträgt nur 1/16 des deutschen Reiches, enr-
hält aber 1/10 der Einwohnerzahl Deutschlands, ist also stark bevölkert. Die
Bewohuer sind sämtlich Niederdeutsche, zu den alten Stämmen der Friesen,
Franken und Sachsen gehörig, die hier zu einer neuen Nation mit eigener Sprache
und Litteratur verschmolzen sind. Fast 2/3 von ihnen sind Protestanten, die
übrigen Katholiken. Die hervorragendsten Charakterzüge der Holländer
*) Dieses dient hauptsächlich zu den Pfahlrosten, deren in tiefer liegenden Gegenden
jedes niederländische Haus bedarf.