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sang; und diese Loblieder waren auch, besonders in den Morgen-
und Abendstunden, fast ihre einzige Unterhaltung, wenn sie mit
ihren frühe zum Fleiß gewöhnten Töchtern am Arbeitstische saß.
Wenn dann ein solches Lied geendigt war. dann schwieg sie meist
gern und lange; denn ihr Herz und ihreEedanken waren und blieben
am liebsten bei dem. der ihres Lebens Trost und Lust und ihr Teil
war. Darum lag ein solcher Segen auf allem, was diese fleißigen
Hände taten; denn es geschah alles im Gebet und Glauben.
Gottes und der Menschen Wohlgefallen weilte gerne bei dem
Anblick des Friedens, der Ordnung und musterhaften Reinlich¬
keit, die allenthalben in dem Hause wohnten. In ihrer frühern
Armut wie in dem nachmaligen mäßigen Wohlstand war sie
eine Mutter der Verlassenen und Armen; weder Armut noch
Reichtum konnten sie hindern, wohltätig zu sein gegen jedermann.
Als sie in ihren letzten Lebensjahren Witwe geworden, da blieb
sie fast ohne Aufhören im Gebet. Nächst der Heiligen Schrift und
dem Singen der Loblieder beschäftigte sie sich zuletzt mit dem
Lesen des Thomas a Kempis. Schubert.
179. Das Mutterherz.
1. Ein Mutierherz! Nur wer
es kennt,
wer recht von Grund es kennt,
der weiß, was man verliert an ihm,
weiß, was kein Schmerz benennt!
2. Von allen Herzen auf der
Welt
ist keines — keins so reich,
ist keines — keins so liebevoll,
ist keines — keins so weich!
3. Von allen Herzen auf der
Welt
ist keines — keins so stark,
ist keines so unwandelbar,
ist keines so voll Mark!
4. Von allen Herzen auf der
Welt
lebt es allein für dich!
Von allen Herzen auf der Welt
vergißt's allein auch sich!
5. Das Herz der andern wird
oft kühl
und zweifelt oder bangt;
der Freundin Herz lahmt Welt¬
gewühl,
es prüfet und verlangt.
6. Doch ewig treu und ewig fest
bleibt dir das Mutierherz,
bleibt dir, wenn alles dich verläßt,
bleibt dir in Lust und Schmerz,
Ludwig Haiirsch.
180. Die Sorglichen.
1. Im Frühling, als der Märzwind ging,
als jeder Zweig voll Knospen hing.
da fragten sie mit Zagen;
Was wird der Sommer sagen?
2. Und als das Korn in Fülle stand,
in lauter Sonne briet das Land,