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Nachdem der Schlangenkönig diese Worte gesagt hatte, glitt 
er hinter den Ofen und verschwand. 
Grete und ihre Mutter konnten vor Aufregung und Erwartung 
die ganze Nacht nicht mehr schlafen. Kaum graute der Morgen, da 
waren sie schon in dem taufeuchten Garten und suchten nach der 
verheißenen Blume. Ob sie aber gleich jeden Winkel durchstöberten, 
so »vermochten sie doch nichts Auffallendes zu finden und wollten 
schon verzagen, als sich plötzlich, kaum daß die Sonne ihren ersten 
Funkenblitz über den Horizont geworfen hatte, ein seltsam melo¬ 
disches Klingen in der Luft erhob und ein gewürziger Duft den 
ganzen Garten erfüllte. Zugleich tat sich unter dem großen Apfel¬ 
baum das Erdreich ein wenig auf, und ein leuchtend grüner Keim 
schoß hervor, der alsbald seine Blätter entrollte und aus deren 
Mitte einen Blütenstengel mit drei goldenen Knospen emportrieb. 
Das Klingen in der Luft schwoll an, und der Duft verstärkte sich, 
als sich diese Knospen voneinander taten und drei Blumen ent¬ 
falteten, die genau dem Krönlein des Schlangenkönigs glichen und 
gleich diesem in der Mitte wie blaue Sterne leuchteten. Aber kaum 
hatten sich diese zu höchster Pracht aufgetan, als sie auch schon 
die Köpfe hängen ließen, so daß bald nur noch der verwelkte Pflanzen¬ 
stengel dastand. 
An dieser Stelle grub nun die Frau und stieß bald auf einen 
großen Topf, der mit goldenen Münzen und mit kostbaren Edel¬ 
steinen bis zum Rande angefüllt war, so daß sie auf einmal 
viele Reichtümer besaß. Noch am selbigen Tage brachte Grete dem 
Schlangenkönig seine Krone zurück. Ihre Mutter, die den reichen 
Fund niemand mitteilte, verkaufte bald darauf ihr kleines Anwesen 
an einen benachbarten Bauern, der zur Abrundung seines Gutes 
schon lange danach getrachtet hatte, und zog mit Grete in eine 
entfemte Stadt, wo sie in einem schönen Gartenhäuschen in behaglicher 
Wohlhabenheit wohnte und ihre Tochter in allen guten Dingen 
unterrichten ließ, so daß aus der kleinen Gänsehirtin ein kluges 
und schönes Mädchen ward, das später ein vornehmer, junger Mann 
zu seiner Gattin erwählte. 
So ward sie die Stammutter eines blühenden und wohlhabenden 
Geschlechts, dessen Nachkommen noch heute bestehen und in ihrem 
Wappen eine silberne, gekrönte Schlange und zwei goldene Gänse 
führen. Heinrich Zeidel. 
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