Full text: Lehrbuch des geographischen Anschauungs- und Denkunterrichts

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dies für Europa haben? Welchen Einfluß hat das lebhaft verdünstende Mittelmeer 
auf Europas Bewässerung? 
Das Mittelmeer hat nicht nur Europas Boden zu einem großen ^heüe seme 
jetzige Gestalt und Beschaffenheit gegeben, und bedingt nicht uur sehr wesentlich sein 
Klima, sondern seine Bewohner verdanken ihm auch großenteils ihre Bildung. An 
seinen südöstlichen Ufern wohnten einst die gebildetsten Völker der Erde, namentlich 
die Phönicier und Aegypter. Von ihnen empfing Griechenland, dann durch 
dieses Rom seine Bildung, die mit diesem später eine Beute der germanischeu Er- 
oberer wurde. Seine Wogen haben den Handel Europas groß geschaukelt. Die 
Phönicier dehnten ihre Seereisen bis nach England und den Ostseeküsten aus, legten 
überall am Mittelländischen Meere blühende Städte an, wie Tyrns im eigenen 
Lande, Earthago in Afrika, Eadix, Malaga und Sevilla in Spanien, und 
tauschten die ihnen durch Karawanen zugeführten Waaren, Spezereien und Gewürze, 
Elfenbein und Edelsteine aus Arabien, Schmuck und Kleiderstoffe aus Persien und 
Aegypten gegen Silber in Spanien, Zinn in England, Bernstein in Preußen aus. 
Nach Tyrus Zerstörung 332 v. Ehr. durch Alexander von Maeedonien ging der 
Welthandel auf Alexandrien in Aegypten, dann auf Earthago und nach dessen Zer- 
störnng 146 v. Chr. auf Rom über. Im Mittelalter waren es dann besonders 
Genua am gleichnamigen Meerbusen und Venedig am Adriatischen Meere, die den 
Welthandel in ihren Händen hielten, bis er durch die Entdeckung des Seewegs nach 
Ostindien und Amerikas nach und nach sich immer großartiger entfaltete und auf die 
Portugiesen, dann auf die Holländer nnd Engländer vorzugsweise überging. 
c) Die West grenze. 
Der Atlantische Acean, 
bespült die ganze Westküste Europas, und ist, wie schon früher bemerkt, hie und da 
tief in das Land eingedrungen. Seine für Europas EntWickelung wichtigsten Theile 
sind die Nordsee oder das Deutsche Meer, und die Ostsee oder das Baltische 
Meer, beide verbunden durch die für die Schifffahrt meist gefährlichen Straßen 
Skagerrak, Kattegat (zwischen?), den Sund zwischen Schweden und der Insel 
Seeland, den großen Belt zwischen Seeland und Fünen und den kleinen Belt 
zwischen Fünen und der Halbinsel Schleswig-Jütland. 
Die Hauptabdachung Europas, die Mehrzahl seiner Flüsse ist ihm zugekehrt. 
Er setzt Europa mit der Welt in Verbindung. Auch in klimatischer (und folglich 
vegetabilischer zc.) Beziehung ist er namentlich für ibie nördlichen und nordwestlichen 
Länder Europas von großem und segensreichem Einfluß (s. § 15. 21). 
Die Astsee, 7200 QM, bildet mehrere große Busen, den Bosnischen Meer¬ 
busen, der fast bis zum Polarkreis hinaufreicht, und den Finnischen Meerbusen, der 
unterm 60° NBr. in östlicher Richtung zwischen Finnland und Mittelrußland ein- 
dringt. Südlich von dem letztern bildet sie den Meerbusen von Riga mit vorliegen- 
den Inseln. Eine der Ostsee besonders eigentümliche Bildung sind die Hasse, 
Süßwasserseen, die von dem Meere, obwohl mit ihm in Verbindung steheud, durch 
eine vorliegende Insel oder schmale Landzunge, Nehrung, geschieden sind und in 
die sich ein großer Fluß ergießt, wie das Kurische Haff mit dem Niemeu, das 
Frische Haff mit der Weichsel, das Stettiner Haff mit der Oder. Jene vorlie- 
genden Landzungen sind „Dünen", d. h. Sandwälle, die durch die Meereswellen 
vor den flachen Küsten aufgeführt, und als natürliche Schutzmauern der letztern von 
großer Wichtigkeit sind. Solche Sandhügelketten werden oft 50 bis mehrere hundert 
Fuß hoch und über 1000 Fuß breit, so daß sie alsdann das Meer mit seinen Wellen 
nicht mehr überschreiten kann. Ihre Wichtigkeit erkennend, bepflanzen die Küsten- 
bewohner solche Dünen mit dem sogenannten Sandhalm (Ammophila arenaria) und 
dem Strandhafer (Elymus arenarius), durch welche der Boden befestigt und zugleich 
fruchtbar gemacht wird, und später auch mit Weiden, Birken, Kiefern zc. Auch an 
der Nordsee und an der Südwestküste Frankreichs findet sich diese Dünenbildung. 
Die Ostsee dehnt sich lang, schmal und wenig tief zwischen den umgebenden Ländern 
aus; daher können die Wellen derselben,überdies durch viele darin zerstreut liegeudeJuselu 
gehemmt und gebrochen, sich nicht in die Länge strecken, wie auf dem offenen Meere, sondern 
gehen kurz und hoch, und folglich den Schiffen gefährlicher. Eine Vergleichuug
	        
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