Full text: Deutsches Land (Theil 1)

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Die Physiognomie des heutigen Schwabenlandes ist wesentlich 
eine gemüthliche. Es ist Einem in Schwaben so recht heimlich zu 
Muthe. Da giebt's zwar keine Alpenfirnen, keine Gletscher, keine 
himmelanstrebende Felskolosse und Hundertellentief niederstürzende 
Cascaden; aber nichts desto weniger bleiben die grünen Berge der 
Alp*), die Waldnacht des Schwarzwaldes, die einsame Majestät 
des Hohenstaufen, die Donau, der Neckar, die Münz, die Ens 
und Brenz, die Rems und Fils mit ihren Thälern immer lieblich 
und schön. Die Vergangenheit blickt in zahllosen Burgruinen 
melancholisch von den rebenbekränzten Hügeln hernieder, aber aus 
den treuen, blauen Augen der kräftigen Schwabensöhne und blonden 
Schwabentöchter lacht dich die Gegenwart heiter an. 
I. Scherr. 
Im Teutoburger Walde. 
Ich habe manche schöne Wälder gesehen auf meinen Wegen 
kreuz und quer in Deutschland; ich habe auch den Malern zuwei- 
len in's Handwerk gepfuscht und Studien gemacht an einzelnen 
Bäumen und Baumarten, um ihren Charakter, ihr Leben, ihren 
besondern Ausdruck, den sie für sich haben und einer Landschaft 
geben, etwas genauer als durch das Gefühl kennen zu lernen. 
Aber was ein Buchenwald eigentlich ist und sein kann, sah ich erst 
hier, wo er überall von den Gipfeln in's Thal hinab sich senkte. 
Schlanke weißgraue Stämme, frisches Laub, zarte Zweige, ein im 
Hochwalde fast säulenartiges, von keinen Aesten gestörtes Aufstre- 
ben hatte mich schon früher erfreut; aber die einzelne Buche mußte 
doch an Kraft des Ausdrucks und selbst an Grazie der Form 
hinter der Eiche zurückstehen; sie schien mir zu hoch und ihr man- 
gelte die weite Ausbreitung der Zweige in mäßiger Höhe über der 
Erde, welche der Eiche einen so eigentümlichen Reiz verleiht. 
*) Auch die „rauhe Alp" genannt, ist eine Höhe von 36 Stunden Länge und 
4—8 stunden Breite, die sich von Spaichingen bis Aalen und Albech hinzieht 
und reich an Naturschönheiten ist. Sie ist eigentlich niehr eine Hochebene, als ein 
Gebirgszug, und bildet da, wo sie gegen das Flachland hin abfällt, reizende Thä- 
ler, die tief einschneiden. Die Bewohner dieses Landstriches — ungefähr 100,000 
sind gntmüthige, genügsame Leute, die bei einfacher Kost — Hafermuß, Milch 
und Kartoffeln — ihre schwere Tageslast tragen und dabei doch immer guter 
Dinge und fröhlichen Muthes sind.
	        
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