Full text: Deutsches Land (Theil 1)

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deutsche Cffcaftefl; dann läuft die Grenze in einer Länge von 
fünfzig Meilen, in gerader Linie gemessen, von da mit Weichsel 
und Oder zur Ostsee hinab. Dies ist Deutschlands offenste Seite 
mit unbestimmten, etwas schwimmenden Grenzen, wie es wohl in 
ältester Zeit schon war; nur Böhmen mit seinen vielen Berg- 
kesseln, ein deutsches Spanien, giebt die Grenzrichtung nach Nor- 
den hinab. Dieses Land ist unsere große östliche Festung, die 
Riesenburg Deutschlands. Das fühlte schon vor achtzehnhundert 
Iahren der kluge Tiberius heraus, als er, wie ein schlauer 
Fuchs auf der Lauer, sich vor den Markomannen zur Witterung 
auf die Hinterbeine stellte, stillstand und seitwärts abzog; hier 
stürmte der große Marcus Aurelius vergebens gegen die Marko- 
mannen und Quaden an und ward immer blutig zurückgeworfen; 
hier hätte man im Herbst 1805 Napoleon fassen oder vielmehr 
feststellen können, wenn die Russen und Oesterreicher diese Berge 
und Schluchten damals gehörig besetzt gehalten hätten. Ist diese 
Riesenburg Deutschlands wohlbewehrt und wohlbewahrt, so darf 
der Feind ihr nördlich, über Weichsel und Oder, nicht zu weit 
vorlaufen; er könnte sich verlaufen, denn man kann ihm von 
hier aus immer furchtbar in Flanke und Rücken fallen. Deutsch¬ 
lands Südwesten ist sehr zugänglich; mittlere Gebirge (Jura, 
Ardennen, Vogesen) scheiden ihn von Frankreich. Da diese aber 
in einer weiten Erstreckung auf eine Länge von fünfzehn bis 
zwanzig Meilen mit Mosel und Maas fortlaufen, so machen sie 
dem Angreifer durch scharfe, starke Stellungen und durch Ver- 
legenheiten und Mängel, wie alle Berglande sie mit sich bringen, 
sauerste, schwerste Arbeit. Aber viel offener ist das Land zwischen 
der Maas und dem Oeean, wo niedrige Fortläuse der Ardennen, 
welche nur Höhen heißen dürfen, die Gebiete der Scheide und 
Lys von dem Gebiete der französischen Somme scheiden. Hier 
also ist und war der leichteste Anlauf der Südwestgrenze, zu 
gleicher Zeit bald ebene Blachlande, welche dem angreifenden 
Feinde Leichtigkeit des Eindringens, und durch ihren Reichthum 
und ihre Fruchtbarkeit Verpflegung seiner Heere bieten. Doch hat 
in Flandern, Seeland, Holland, in dem durch eine Unendlichkeit 
von Sümpfen, Lachen. Inseln, Seen, Flüssen und Canälen durch- 
schnittenen Gebiete, die Natur auch an dieser deutschen Grenze 
eine Verteidigung bereitet, wie wenige Länder sich derselben rüh- 
men können. 
So ist mit kleinen Ausnahmen, welche wir unten im Einzel¬
	        
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