156 Das Prinzip der Anschaulichkeit im erdkundlichen Unterricht.
Bergwände zu. Zuweilen zeigt sich auf den Abhängen, meist tief am Strande,
€in Pieckchen grüner Grasfläche, und einige ärmliche Häuschen verraten, dass
der Mensch selbst diese dürftige Spende der Natur dankbar annimmt. Noch an
mehreren Stellen hält das Dampfschiff an, so in Lekanger und in Baiholmen.
Letzteres liegt am fruchtbaren Baiestrande, wohin der Schauplatz der Frithjofs-
sage verlegt wird. Freundlich heben sich die rot gestrichenen Häuser, besonders
die zierlichen Holzhäuser der Gasthöfe von dem düsteren Hintergrunde ab.
Der Fjord wird immer breiter, und niedriger werden die Berge. Der
schönste Teil der Fahrt liegt hinter uns. Wir kannten die Landschaft kaum
noch wieder, als wir nach dem Mittagessen von neuem aufs Deck stiegen. Die
Scenerie ist nun eine ganz andere. Wir befinden uns in mehr offenem Fahr¬
wasser. Die Berge bilden einzelne Inselgruppen. Fast vollständig kahl starren
sie uns entgegen. Aber die schönen Formen und Gruppierungen erfreuen das
Auge. Die Totenstille der Felsennatur wird nur durch das Geschrei und den
lauten Flügelschlag der Möven, der Wildenten und anderer Seevögel unter¬
brochen, die bald aufflattern, bald von neuem niedertauchen. Selbst in dieser
unwirtlichen Felsenlandschaft hat der Mensch überall seine Hütte aufgeschlagen,
wo sich nur ein grünes Fleckchen Erde fand.
Die Weiterfahrt zurück nach Bergen geht an trostlos öden, niedrigen
Felseninseln oder Schären vorbei, die nur stellenweise mit Moos und Heide¬
kraut bewachsen sind, oft aber völlig kahl sind. Von diesem düsteren Bilde der
nächsten Umgebung schaut das Auge freudig hin zum fernen Horizont, an dem
sich in blauem Nebeldunst die Umrisse schöner Berggestalten abmalen. Es ist
schon dunkle Abendstunde, als wir, begriisst von dem Lichtmeer des Hafens
und der zur Höhe hinansteigenden Stadt, in Bergen wieder anlangen.
31. VIII. Über Analyse und Synthese, deduktives und
induktives Verfahren beim erdkundlichen Unterricht.
Zu Leitsatz VII.
Analyse oder Synthese! Es sind zwei Kampfworte beim
Widerstreite der Meinungen, zwei völlig einander entgegengesetzte
Anschauungen, die in der Methodik des erdkundlichen Unterrichts
miteinander kämpfen. Wir können dieselben mit zwei grossen
Wellenbewegungen vergleichen. Die eine Wellenbewegung hat
ihren Ursprung in höheren Geistesregionen. Sie ging von der
Hochschule aus und pflanzte sich auf die höheren Lehranstalten
fort, auf denen sie lange Zeit völlig das Feld behauptete. Es ist
die analytische, deduktive Methode, die vom A lige-
meinen zum Besonderen vom Ganzen zu den Teilen,
von der höhern zur niedern Lehreinheit, vom al lg e-
m einen Gesetz zum einzelnen Fall schreitet. Die zweite
Wellenbewegung nahm ihren Ausgang dort, wo wir den ersten
Jugendunterricht empfingen, in der Volksschule. Aus der Erkenntnis,
class es leichter ist, das Einzelne und Besondere zu betrachten,
als das Ganze und Gemeinsame, ging die Anwendung der syn¬
thetischen und induktiven Lehrmethode hervor
In der untern Klasse der höhern Lehranstalten, in der Sexta,
prallten die beiden grossen Wellenbewegungen auf¬
einander. Noch in den vorletzten preussischen Lehr¬