Full text: Die Methodik des erdkundlichen Unterrichts (Einl. Teil)

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Bedeutung und Stellung der Erdkunde. 
Im Geschichtsunterricht auf den höhern Schulen 
soll nach den Bestimmungen der preussischen Schulbehörde den 
Schülern die Entwicklung der wirtschaftlichen Verhält¬ 
nisse gezeigt werden. Ein klares Verständnis des wirtschaft¬ 
lichen Lebens der Vergangenheit kann den Schülern aber nur durch 
den Vergleich mit gegenwärtigen Lebensverhältnissen 
erschlossen werden*). Wie die Heimat die Anknüpfungspunkte 
bietet, um Verhältnisse der Ferne zu erklären, so muss auch die 
Gegenwart zum Vergleiche herangezogen werden, um Zustände der 
Vergangenheit zum Verständnis zu bringen. Wenn die Schüler im 
erdkundlichen Unterrichte an vielen Beispielen erkannt haben, wie 
die günstige oder ungünstige Lebenslage der Bewohner in dem 
Reichtum oder der Armut ihres Landes an natürlichen Hilfsmitteln 
der Kultur bez. in deren vortrefflicher oder mangelhafter Aus¬ 
nutzung begründet liegt, dann werden sie auch die Wirkung be¬ 
greifen, welche in der Vergangenheit die Erschliessung neuer Hiilfs- 
quellen oder die Versiegung der bisherigen auf die Umgestaltung 
des wirtschaftlichen Lebens eines Volkes, auf die Verschiebung der 
Macht und des Ansehens der Völker ausgeübt haben. Die wirt¬ 
schaftliche Blüte gab den kleinen griechischen Staaten 
die materielle Kraft, dem gewaltigen Perserreiche siegreich zu 
widerstehen; in dem weltbeherrschenden Rom wurde der uner- 
messliche Reichtum, der aus den unterjochten Ländern dorthin 
zusammenströmte, die Grundlage sowohl für die spätem ausge¬ 
dehnten kriegerischen Unternehmungen zu Lande und zu Wasser 
als auch für die Entwicklung und Verbreitung einer hohen Kultur, 
und das Versiegen dieser Hilfsmittel infolge der spätem schlechten. 
Verwaltung des eignen Landes und der unterjochten Länder wurde 
ein Hauptgrund für den Zurückgang der römischen Macht und 
Kultur; infolge der Zertrümmerung des byzantinischen Kaiser¬ 
reiches wurde der bedeutende Handelsverkehr des Morgenlandes 
nach dem Abendlande von Konstantinopel fort über Italien gelenkt, 
wo bald die Seestadt Venedig zur mächtigen Gebieterin der 
Meere emporblühte, und von dort der Warenversand über Deutsch¬ 
land weitergeführt, wo sich die zu den Alpenpässen günstig ge¬ 
legene Stadt Augsburg zu einem reichen Handelsplatze mit blühen¬ 
den Gewerben entwickelte; durch die Entdeckung Amerikas und 
des Seewegs nach Ostindien wurden die italienisch-deutschen 
Handelsbeziehungen lahm gelegt, und der Handel Venedigs und 
Augsburgs ging zurück; aber auch die wirtschaftliche Blüte, zu 
welcher die Länder Portugal und Spanien durch die Zufuhr 
der grossen Naturschätze einer neu entdeckten Welt schnell ge¬ 
langten, sie ging in etwa zwei Jahrhunderten wieder zu gründe, 
weil die beiden Staaten ihre von Natur reich gesegneten Kolonieen, 
anstatt sie in ihrer Lebenskraft zu erhalten, vollständig ausgesogen 
hatten; Holland und nach ihm England, die sich ebenfalls in 
*) Der blosse Hinweis auf den psychologischen Vorgang der Apperzeption 
begründet diese Behauptung hinlänglich.
	        
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