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Das Karpatenland und die Ungarische Tiefebene.
2. Das Gebiet der Westkarpaten und der Oberungarischen
Tiefebene.
a. Das Landschaftsbild.
Die Westkarpaten. Wenn wir von Wien, entweder mit
dem Dampfschiff auf der Donau oder mit der Eisenbahn durch
die ebenen Fluren des Wiener Beckens ostwärts fahren,
so erscheint vor uns ein Gebirgszug von massiger Höhe, der nach
N in sanft gebogenen Linien verläuft. Derselbe bildet den Anfang
des grossen Gebirgssystems der Karpaten und führt den
besonderen Namen der Kleinen Karpaten. Wie die Alpen erst
bei Wien ihr Ende erreichen, so spiegeln sich auch die ersten Er¬
hebungen des Karpatenzuges in den blauen Fluten der Donau.
Freundlich liegt die alte Donaustadt Pressburg an den Südab¬
hängen der aus Granit und krystallinischem Schiefer be¬
stehenden Kleinen Karpaten, die hier mit Reben gärten ge¬
schmückt sind. An die Kleinen Karpaten setzt sich nach N das
aus weissen Dolomitfelsen bestehende Weisse Gebirge an.
Beide Züge haben zusammen eine Länge von 150 km, und ihre
durchschnittliche Höhe beträgt etwa 500 m. Der frühere Wald-
schmuck, der besonders die Kleinen Karpaten auszeichnete, ist
leider zum Teil schon verschwunden. Bedeutend höher als
die Kleinen Karpaten und als das Weisse Gebirge steigen schon
die sich anschliessenden Beskiden an, namentlich die Westbes-
kiden, während die Ostbeskiden wieder etwas niedriger sind.
Der ganze Beskidenzug, der der Kreide formation angehört,
erstreckt sich etwa 300 km weit. Er ist genau nach 0 gerichtet.
Ein wichtiger Gebirgseinschnitt ist in ihm der Jablunkapass
(551 m), der das Ostende der Westbeskiden bezeichnet.
Südlich von den Beskiden und zwar ihrem mittleren Drittel
gegenüber türmt sich die vorwiegend aus Granitmasse bestehende
Hohe Tatra auf. Unvermittelt steigt sie aus der kleinen,
etwa 800 m hochgelegenen Pop rad eben e als eine gewaltige,
wildzerrissene Felsmauer zu einer Kammhöhe von durch¬
schnittlich 1700—1900 m empor. Von W nach 0 ziehend, mehr¬
fach aber in scharfen Biegungen von dieser Hauptrichtung ab¬
weichend, erstreckt sie sich etwa 80 km weit.
Das Landschaftsbild der Hohen Tatra.
Mit ihren scharfen Kämmen, ihren steil ansteigenden, ebenfalls kamm¬
artig auslaufenden kahlen Bergspitzen, ihren tiefen Thalkesseln,
C ir ken genannt, die teils mit riesigen Felstrümmern überlagert, teils von den
zahlreichen (56), dunkelblauen oder grünen Seen, den sog. „M e e r a u g e n'-,
ausgefüllt sind, erinnert die Hohe Tatra an die wildesten Teile der Alpen. Nur
den Schmuck der ewigen Schnee- und Eisfelder vermissen wir. Die Gletscher¬
bildung fehlt, weil nur wenige Gipfel bis über die Schneegrenze reichen,