Full text: Die Rheinprovinz (H. 1)

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wölken, die von Westen heranziehen, zur starken Abgabe ihrer Fench- 
tigkeit gezwungen. Während die östliche Eisel und ebenso der östliche 
Hunsrück uebst dem Rheinthale nur 500—600 mm Regen jährlich 
empfangen, beträgt die Regenmenge schon im niedrig gelegenen west- 
lichen Westerwald 700 mm, und sie steigt nach Osten zu 800 uud 
900 mm an. Die Bodenfeuchtigkeit wird stellenweise gefördert durch 
j <3/ T^u schichten, die das Wasser nicht durchlassen und auf der Ober- 
,flda Moorbildung hervorrufen. Der Wiesenbau muß 
daher für Entwässerung Sorge tragen. \Die Wiesen sind auf dem 
Westenualde fast überall von kleinen Gräben durchzogen, in denen 
das überflüssige Wasser sich sammelt und fortgeleitet wird. Wer im 
V Frühjahr durch die Westerwaldgegenden reist, kann beobachten, wie eifrig 
die Landleute damit beschäftigt sind, die Wassergräben von neuem aus- 
zustechen ltitb wieder in stand zu setzen. Die Arbeit ist wichtig, weil 
durch die Entwässerung das Sauerwerden der Gräser verhütet wird. 
Die Feldsrüchte können eine ständige Bodennässe noch viel weniger er- 
tragen, weshalb zu Aeckern, wie schon oben bemerkt wurde, meist die 
oberu Abhänge der Bodenerhebungen benutzt werden. 
Auf dem obern, dem hohen Westerwald, wird der Anbau 
auch gehemmt durch das kältere Klima, welches dort herrscht. Der 
Höhenunterschied gegenüber dem untern Westerwald beträgt durch- 
schnittlich 300—400, gegenüber dem warmen Rheinthale 500—600 m. 
Die Wärmeabnahme ist also wenigstens auf 2 —2^2, beziehungsweise 
3—372° C. zu schätzen. Schon an der Znsammensetzung der 
Wälder merken wir den Wechsel des Klimas. Die frischgrünen 
Laubwälder sind auf dem hohen Westerwald verschwunden, und an 
ihre Stelle ist dunkles Nadelgehölz getreten, das zu den hellgrünen 
. Wiesen und Weiden einen großen Gegensatz bildet. Höchstens in den 
flachen Mulden tritt hie und da auch noch Laubholz auf, während 
jede nur etwas hervortretende Höhe mit Nadelholz bekleidet ist. Mehr 
noch als der Holzwuchs leiden die Saaten unter dem kalten Hauch 
der Wiude. Diese kommen in unserm Lande meist aus westlicher 
Richtung. Rauhes, kaltes Wetter bringen besonders die Nordweststürme. 
Diese können aber, weil der Westerwald nach Osten allmählich ansteigt, 
und weil in: Nordwesten kein anderes Gebirge liegt, das sie abhalten 
könnte, mit ungehemmter Gewalt über die Hochflächen dahinbransen. 
Im Frühjahr können die Saaten, weil der Winter so lange dauert, 
ohnehin ihr Wachstum erst spät beginnen. Die kalten Winde bewirken, 
daß es auch nur langsam vor sich geht. Das Getreide erreicht infolge- 
dessen auf dem obern Westerwald nur halbe Höhe, uud Weizenfelder 
suchen wir dort vergebens. Die Bewohner kennen die schlimme Wir- 
kung der kalten Winde. Sie haben fast überall die Anhöhen mit hohen 
Schutzhecken bepflanzt. Ost glaubt man einen großen Tannenwald 
vor sich zu sehen. Kommen wir aber näher, so erkennen wir, daß das 
Tannengehölz eine von jenen Schutzhecken ist und nur aus mehreren 
langen Tannenreihen besteht. Diese verlaufen quer zur Windrichtung, 
damit eine breite Fläche durch sie geschützt wird. Auf der geschützten 
Seite der Berganhöhe und in der sich anschließenden Mulde liegen die
	        
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