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von der Übergabe der Festung. Bald darauf kam der König selbst. Man hörte
es schon von ferne an den donnerähnlichen Hochrufen der Truppen, bei denen
er vorübertam.
Oer König verließ seinen Wagen, und der Kaiser kam ihm auf der letzten
Stufe der Treppe, die von dem Hof in die Vorhalle führt, entgegen. König
und Kaiser reichten einander die Hand, stiegen zusammen die Treppe hinauf,
schritten durch das Treibhaus, aus dem die französischen Offiziere sich zurück¬
zogen, und von dort in den Empfangssaal. Oer Kronprinz schloß die Tür und
blieb draußen. Oer König und Kaiser standen einander von Angesicht zu An¬
gesicht gegenüber. Oer König sprach zuerst. Gott, sagte er, habe den Sieg in
dem gegen ihn erklärten Kriege seinen Waffen verliehen. Oer Kaiser erwiderte,
er sei es nicht, der den Krieg gesucht- er habe ihn nicht gewollt und nicht ge¬
wünscht, er sei aber durch die öffentliche Meinung Frankreichs zur Kriegserklärung
gedrängt worden. Darauf entgegnete der König, er wisse, daß sie nicht vom
Kaiser ausgegangen fei ; er sei davon vollständig überzeugt. „Ew. Majestät
erklärte den Krieg der öffentlichen Meinung zuliebe,- aber Ihre Minister waren
es, welche diese öffentliche Meinung, die den Krieg heraufbeschwor, geschaffen
hatten."
Als darauf eine pause entstand, bemerkte der König, daß die französische
Armee mit großer Tapferkeit gefochten habe. „Ja," sagte der Kaiser, „aber
Ew. Majestät Truppen besitzen eine Manneszucht, die meiner Armee in neuester
Zeit abhanden gekommen ist."
hierauf bemerkte der König, das preußische Heer habe seit einigen Jahren
sich alle neuen Gedanken zunutze gemacht und die versuche aller übrigen Völker
vor und nach dem Jahre 1866 im Auge behalten.
„Ihre Artillerie, Sire, hat die Schlacht gewonnen. Oie preußische Artillerie
ist die schönste von der Welt." Oer König wiederholte, sich verbeugend, daß
das preußische Heer bemüht gewesen sei, sich die versuche anderer Völker zu¬
nutze zu machen.
„Prinz Friedrich Karl entschied das Schicksal des Tages," bemerkte der
Kaiser. „Seine Armee war es, welche unsere Stellung nahm."
„Prinz Friedrich Karl? Ich verstehe Ew. Majestät nicht. Es war die Armee
meines Sohnes, welche bei Sedan focht."
„Und wo ist denn Prinz Friedrich Karl?"
„Oer steht mit sieben Armeekorps vor Metz."
Lei diesen Worten zuckte der Kaiser zusammen und fuhr zurück, als ob
ihn ein Schlag getroffen hätte,- aber bald gewann er seine Selbstbeherrschung
wieder, und die Unterhaltung wurde fortgesetzt. Oer König fragte, ob Se. Maje¬
stät irgend welche Bedingungen zu stellen oder vorzuschlagen habe. „Nein!
Ich besitze keine Macht. Ich bin ein Gefangener." „Und wer ist, wenn ich fragen
darf, die Negierung in Frankreich, mit der ich verhandeln kann?"
„Oie Kaiserin und die Minister in Paris haben allein Macht, zu unter¬
handeln. Ich selber bin machtlos, kann weder Befehle erteilen, noch Be¬
dingungen stellen."
Oer König bemerkte schließlich, daß er, wofern es Sr. Majestät angenehm
sei, ihm das Schloß Wilhelmshöhe bei Eassel als Aufenthalt zuweisen wolle,
und als der Kaiser dies annahm, wurde nichts von Bedeutung mehr gesprochen
und Abschied genommen.
Nach einer Viertelstunde ritt der König wieder zurück, zu seiner Nechten
Noon, zur Linken Bismarck, hinter ihm der Kronprinz mit dem gesamten Ge¬
folge. Va Napoleon zunächst unter bayerischer Bewachung in dem Schlößchen