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Gemahl, wie er vor allen hervorrage und der schönste und tapferste
sei. Brunhilde blieb im Lobe Günthers nicht zurück uud erklärte ihn
für stärker und tapferer als Siegfried. Das bestreitet Kriemhilde und
offenbart ihr im Eifer, daß nicht Günther, sondern Siegfried sie besiegt
habe. Nun ist Brunhilde aufs höchste entrüstet über Siegfried und
sinnt auf Rache.
e) Rache plan. Hagen, dem sie ihr Leid geklagt, will Siegfried
verderben. Ein falsches Kriegsgerücht wird verbreitet. Siegfried
bietet feine Hülfe an. Der tückische Hagen nimmt Abschied von Kriem¬
hilde, und als diese ihn bittet, im Kampfe ihren Gatten zu schützeu,
sagt er, sie möchte auf dessen Gewand die Stelle, wo er verwundbar
wäre, mit einem roten Krenzchen bezeichnen, damit er genau wisse,
wo er ihn zu schützen habe. Die Arglose folgt dem Rate. Am nächsten
Morgen trägt Siegfried wirklich das Zeichen.
ä) Jagd. Nun ist der Feldzug nicht mehr nötig. Statt in den
Krieg zieht man zu einer Jagd in den Odenwald. Nach Beendigung
derselben sehnen sich die Ritter nach Stärkung und Labung. Hagen
schlägt vor, einen Wettlaus nach einem nahen Quell zu machen.
Siegfried erreicht das Ziel zuerst; wartet aber bescheiden, bis Günther
herangekommen ist und getrunken hat; dann bückt er sich zur Quelle
nieder.
e) Der Mord. Jetzt nimmt Hagen Siegfrieds scharfen Speer
und stößt ihn an der bezeichneten Stelle tief in des Helden Rücken.
Siegfried springt auf und greift nach feinen Waffen; aber diese hat
Hagen beiseite tragen lassen, nur der Schild steht da. Mit diesem
schlägt Siegfried auf Hagen los, daß derselbe zu Boden stürzt und
der Wald von den Schlägen wiederhallt. Aber da ermattet Sieg¬
fried, feine Farbe erbleicht. „O ihr feigen Mörder, diese That wird
euch ewige Schande bringen!" ruft der sterbende Held. Sein letzter
Gedanke gilt feinem trauten Weibe. Zu Günther gewendet spricht er:
„Laßt Kriemhild Eurer Liebe und Treue immerdar empfohlen fein."
Den Leichnam des Helden legte man auf einen Schild und brachte
ihn gen Worms. Der grimme Hagen ließ ihn in der Nacht vor
Krietnhildens Thürfchwelle tragen, daß sie ihn ant andern Morgen,
wenn sie zur Kirche gehen wollte, finden mußte.
f) Kr iemhildens Klage. Lautes Jammern und Klagen er¬
hob die Arme um den geliebten Mann. „Du bist ermordet, dein
Schild ist nicht zerhauen. Wehe, wehe dem Mörder!" rief sie aus.
Die Leiche wurde im Dome ausgestellt, und Kriemhilde wartete des
Bahrrechts, und als Günther herzukam und sie damit trösten wollte,
Siegfried fei von Räubern erschlagen, siehe, da tritt auch Hagen heran,
und die Wunden beginnen von neuem zu stießen. „Ich kenne die
Mörder wohl!" erklärte Kriemhild und würdigt Günther keines Wortes,
Hagen keines Blickes. Sie kehrte nicht nach Xanten zurück, sondern
blieb da, wo ihr Siegfried bestattet worden, nur von dem Gedanken
erfüllt, feinen Tod einst an den Mördern zu rächen.