Full text: Deutsches Lese-, Lehr- und Sprachbuch für Schule und Haus

12 
nein Menschen Vertrauen, zu keinem Dinge Kraft, zu keinem Un- 
^ .ckernchmen fröhlichen Muth zìi haben. Er verfiel auf Trunk und 
< Spiel. Seine Wirtschaft kam dadurch zurück, und ciu Unglück 
«, nach dem andern. Von Gott und seinem Wort kam er 
gänzlich zurück. Sein Antlitz ward bleich, sein Blick unstätt; sein 
Körper fiel zusammen und er wandelte wie ein Todtengerippe. 
Endlich wurde er aufs Krankenlager geworfen; lange und furcht¬ 
bar kämpfte er mit dem Tode und konnte nicht eher sterben, bis 
er seinen Frevel bekannt hatte. Man sprach nicht gut an seinem 
' Grabe. Keine Thräne wurde ihm nachgeweint. 
19. Der gewissenlose Witwer. 
Ein Witwer hatte zwei Kinder und wollte wieder heiraten, 
aber keine andere als eine reiche Braut. Endlich fand er eine, die 
ihn mit der Bedingung nehmen wollte, wenn er hundert Thaler 
bares Geld hätte. Er für sich hatte nun nicht so viel, sondern 
um so viel zu erlangen, beschloß er, seine Kinder um einen Theil 
ihres Mutterguts zu betrügen. Das that er und vergrub mit 
Hülfe seiner Braut des Abends vorher, als er bei bcu Gerichten 
Nichtigkeit mit seinen Kinderic machen und bcu Nachlaß seiner ver¬ 
storbenen Frau beschwören sollte, einen Beutel mit hundert Tha¬ 
lern. Denn er glaubte thörichter Weise, nun könne er sicher schwö¬ 
ren, daß er nicht mehr hätte, als was er angäbe, da er doch nichts 
mehr im Hanse habe. Als er geschworen hatte und nun sein Geld 
wieder holen und Verlöbnis; halten wollte, da war das Geld fort, 
denn ein im Backofen liegender Bettler hatte durch die Thür zuge¬ 
sehen und war des Nachts mit dem Gelde davon gegangen. Er 
lief eiligst zu seiner Braut und glaubte, sie habe'es im Scherz 
weggenommen; als sie eö aber ln Abrede stellte, ward er unwillig 
und sie gcriethcn in den heftigsten Streit, der mit großer Erbitte¬ 
rung endigte. Sie wollte ihn mm nicht heiraten, sondern verklagte 
ihn, weil er sie eine Diebin gescholten lind hart geschlagen hatte, 
und er ward, als die That ans Licht kam, als Meineidiger und 
Betrüger, und sie als Theilnehmerin am Betrttge scharf gestraft. 
20. Die brave Stiefmutter. 
Minna heiratete einen Witwer mit drei kleinen Kindern. Au 
ihrem Hochzeitstage betete sie'zu Gott: „Ach Herr, mein Gott! das 
Schicksal aller Menschen kömmt auf deinen Willen an. Ich soll 
die Gehülfin dieses Mannes werden, indem ich an die Stelle der 
verstorbenen Frau trete, also auch ihre Pflichten übernehmen und 
die Mutter dieser armen verlassenen Kinder werden soll. Es mag 
dies aber wohl eine schwere Sache sein; doch ich gelobe es dir, all¬ 
wissender Gott, wie ich cs auch an deinem heiligen Altare ja be¬ 
schwöre, meine Pflicht treu zu erfüllen. Alle Tage will ich mich 
an meinen Schwur mimmi. Hilf mir, o treuer Gott, durch dei¬ 
nen heiligen Geist. Amen!" Als sie aufstand, nahm sie ein ro-
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.