A. Pflanzen- und Tiergeographie.
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Trotz dieser unbegrenzten Ausdehnung des organischen Lebens ist nun
doch nicht zu verkennen, daß es von gewissen Faktoren mehr oder minder
begünstigt oder gehemmt wird.
II. Bedingungen des pflanzlichen und tierischen Lebens.
Die organischen Wesen bedürfen zu ihrem Gedeihen:
1. einer gewissen Beschaffenheit des Bodens; Gräser z. B. haben
zu ihrem Wachstum Kieselsäure nötig; sie können darum nur da in Menge
vorkommen, wo reichliche Bewässerung die im Boden enthaltene Kieselsäure
löslich macht; andere Pflanzen verlangen für ihren Aufbau Kalk, andere
Natron nsw. — Unter den Tieren sind hauptsächlich die gehäustragenden
Weichtiere an kalkreiche Bodenarten gebunden. — Auch die Physikali-
scheu Eigenschaften des Bodens sind von wesentlicher Bedeutung für solche
Tiere, die sich unterirdische Gänge und Höhlen graben. Der Maulwurf
würde seine labyrinthischen Gänge nicht in einem lockern, sandigen Erdreich
graben können, das hinter ihm zusammenfallen würde;
2. einer bestimmten Menge von Feuchtigkeit; gibt es doch Pflanzen,
die kaum stundenlang der belebenden Feuchtigkeit entbehren können; ebenso
gedeihen viele Tiere am besten nur am Ufer von Sümpfen oder Flüssen,
in einer reich mit Wasserdämpfen gesättigten Atmosphäre;
3. einer bestimmten Menge von Licht. Ihr Hauptnahrungsmittel,
die Kohlensäure, kann die Pflanze ja nur im Sonnenlichte zerlegen, d. h.
nur in diesem vermag sie den Sauerstoff auszuscheiden und den Kohlenstoff
zu organischen Verbindungen zu benutzen; ebenso gibt sich bei Tieren der
Mangel an Licht durch die Verkümmerung der Sehorgane ganz deutlich
zu erkennen; auch das Farbenkleid der Tiere ändert sich vielfach, je nach
der Stärke des Lichtes;
4. einer gewissen Wärmemenge. Bezüglich der Pflanzen gilt hier
das Gesetz, daß vom Äquator gegen die Pole die Zahl der Arten, die
Größe der Individuen und sogar der einzelnen Organe abnimmt; in
gleicher Weise zeigt sich die Abhängigkeit der Pflanzenwelt von der Wärme
durch ihre Abnahme nach der Höhe zu. Im ganzen bestehen für die
Tierwelt dieselben Gesetze; nur sind für sie die Grenzen nicht so streng
gezogen wie für die Pflanzen, die ihren Standort nicht zu ändern ver-
mögen. Affen, Papageien und Kolibris gehen nur selten über die Tropenzone
hinaus; ebensowenig fühlt sich der Bär oder das Renntier in großer Hitze be¬
haglich. Man unterscheidet darum in der Verbreitung der Tier- uud Pflanzen-
welt Horizontal- und Vertikalzonen; letztere heißen auch Regionen.
5. Für die tierischen Organismen ist weiter noch die Luft von hoher
Bedeutung — denn sie unterhält ja den Atmungsprozeß — und das Vor¬
handensein von entsprechender Nahrung.