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Kein Wunder, daß einst die Römer sich hier festsetzten und in ihren Kastellen
vorwiegend am linken Rheinufer sich Stützpunkte für Ausbreitung ihrer hohen
Kultur und Macht gründeten. Durch sie wurde der Grund gelegt zu der hohen
Weinkultur des Rheinlandes, edle Obstsorten wurden eingeführt, Landstraßen
gebaut, den Rheinstrom und seine Nebenflüsse überbrückten sie; zu all diesen Bau-
werken verwendeten sie die guten Bausteine der benachbarten Gebirge. (S. S. 60.)
Aber trotz des segensreichen Einflusses römischer Kultur zeigte sich keine harmonische
Entwicklung während der Römerherrschaft, weil ihr Grenzwall diese Rheinland-
schaft vou den Gebieten abschloß, die durch die Natur mit ihr zusammengefügt
waren. Diesen Segen brachte erst die Zeit des römisch-deutscheu Kaiserreiches.
Die Völkerwanderung führte die Alemannen und Frauken in diese Gegenden;
die römische Herrschaft unterlag den germanischen Volksstämmen. Die Franken
waren dazu berufen, auf den Trümmern des römischen Reiches eine dauernde
Herrschaft zu gründen, indem sie 496 unter Chlodwig die Alemannen besiegten
und dem mächtigen Frankenreiche einverleibten. Die Zeit der fränkischen Kultur
brachte nunmehr diesen Gebieten ihre Segnungen. Dieselben sind in zweifacher
Hinsicht charakteristisch. Der politische Zusammenschluß der Gebiete, die
nach ihren natürlichen Verhältnissen zusammen gehören, bewirkte eine größere
Ausnutzung natürlicher Verkehrsstraßen, Anlage künstlicher Handelswege, Belebung
des Handels, der Industrie, bessere Verwertung des Bodens und seiner Erzeugnisse,
Entwicklung des deutschen Städtelebens und Hebung des Wohlstandes. Glänzende
Zeiten spiegeln sich in der Geschichte von Straßburg, Worms, Speyer, Mainz
und Frankfurt wieder. Das andere charakteristische Merkmal der fränkischen
Kultur liegt in der Einführung des Christentums. Wenn das Vorgehen
seitens der römischen Kirche auch uicht immer ohne selbstsüchtige Bestrebungen
und ohue Härte durchgeführt wurde, so rief die Christianisierung doch die religiöse
Begeisterung hervor, welche die Entstehung der gewaltigen Dome des Mittelalters
veranlaßte, zu dem Kampfe iu den Krenzzügen anfeuerte, die auch für Einführung
morgenländischer Kultur wichtig gewesen sind. Ebenso war die Gründung von
Klöstern von segensreichem Einfluß auf die Kultur des Landes; sie wurden
Pflegestätten des Christentums, der Künste und Wissenschaften, wie auch der
Volksbildung und erlangten eine große Bedeutung für die Kultur des Bodens.
Ein Rückgang in der Kultur dieser Rheingebiete trat ein, als durch Entdeckung
der neuen Welt von 1500 an die großen Handelswege verlegt wurden. Es
folgten unruhige Kriegszeiten und sogar eine 190 jährige Trennung wichtiger
Gebiete aus ihrem natürlichen Zusammenhange, wodurch der Kulturrückschritt
herbeigeführt wurde.
Erst im 19. Jahrhundert ist die Oberrheinische Tiefebene wieder zu einer
neuen wirtschaftlichen Blüte und reichen Entfaltung ihres Städtelebens gelangt.
Diesen Aufschwung verdankt das Land zwei verschiedenen Ursachen. Die erste
zeigt sich in dem reich entwickelten Eisenbahnnetz, in dem zu beiden Seiten des
Rheines zwei Hauptbahnen von Nord nach Süd gehen; diese sind, wie Leiter-
bäume, sprossenartig durch eine Reihe von Zweigbahnen mit einander verbunden.