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II. Crogene Vorgänge und die dadurch entstehenden Zkulptnrformen.
1. Ursachen der exogenen Vorgänge.
Unter den exogenen Vorgängen verstehen wir eine von außen her bewirkte
Zertrümmerung der festen Erdkruste und einen Transport der dadurch entstandenen
Massen, welche aus dem Zusammenhange mit der festen Erdrinde losgelöst sind.
Überall, wo sich Erhebungen auf der Erdoberfläche besindeu, greifen die Kräfte
an und arbeiten unausgesetzt an ihrer Zerstörung; sie transportieren das zersetzte
Material, dem Zuge der Schwere folgend, in tiefer gelegene Gegenden und setzen
es dort zu neuem Bau ab. Diese Arbeiten setzen sich fort, solange Erhebungen
auf der Erde sind; sie bezwecken also einen Umbildnngscyklus, deren Endglied die
Ebene ist. Da aber auch die inneren Kräfte der Erde unausgesetzt weiter ar-
beiteu und fortgesetzt neue Erhebungen schassen, so wird dieses Endglied nie
erreicht werden.
a. Die zerstörenden Kräfte.
aa. Die mechanische Verwitterung entsteht durch häufigen und jähen
Wechsel in der Temperatur ohne und mit Hilfe des Wassers. Schon das schnelle
Ausdehnen uud Zusammenziehen der Gesteine bei großen Temperaturschwankungen
(z. B. zwischen Tag und Nacht) genügt, um das feste Gefüge zu lockern und
Teile von denselben abzusprengen. So ist iu Wüstengebieten, welche von Gebirgen
durchzogen sind (das diagonale Gebirge in der Sahara), insolge dieser mechanischen
Verwitterung der Boden stellenweise mit abgesprengten Steinen förmlich übersät
(z. B. die Serirs, die Flächen mit überstreuten Steinen in der Sahara), die mit
Eintritt der Tageshitze oder bei der nächtlichen Abkühlung mit donnerartigem
Geräusch zersprengt sind. Noch bedeutender sind die Gesteins-Zerstörnngen, wenn
der Frost das in Felsspalten eingedrungene Wasser in den festen Aggregatszuftand
versetzt, in dem es einen größeren Raum einnimmt als im flüssigen Zustande.
Mit donnerähnlichem Geräusch wird hierdurch selbst das festeste Gestein zersprengt.
(So trennen die Bauern Livlands ihre Steinblöcke, indem sie dieselben anbohren,
Wasser in die Bohrlöcher füllen, dieselben verschließen und dann den Frost ab-
warten, der die Steine zersprengt.)
In vereinzelten Fällen tritt unter gewissen Vorbedingungen auch die Schwer -.
kraft als zerstörender Faktor auf. Werden Felsen unterwaschen oder untergraben,
so daß sie als überhängende Massen erscheinen, dann folgen sie schließlich dem
Zuge der Schwere und stürzen ab. Auch können Felsmassen auf schräger Unter-
läge, welche durch eingedrnnges Wasser schlüpfrig geworden ist, infolge der Schwer-
kraft abwärts gleiten und zertrümmern. Solche Bergstürze treten leicht in nassen
Jahren und Erdbebeuperiodeu ein.
Das Ergebnis der mechanischen Verwitterung ist in der Regel eckiger
Schutt, aus dem die Schuttländer aufgebaut werden. Wir finden dieselben
in den Gegenden, wo die Temperaturen häufig um den Frostpunkt schwanken,