Full text: [Teil 4 = Quarta, [Schülerband]] (Teil 4 = Quarta, [Schülerband])

Siemens: Der Schiffbruch der Alma. 
15 
erwachten aufs neue. Das Schiff näherte sich uns bald, bald ent¬ 
fernte sich's wieder; die Hoffnung begann sich zu regen, daß es uns suche. 
Da endlich schien es unsere Signale zu bemerken, es nahm den Kurs 
gerade auf die Insel zu. Kein Zweifel mehr! die Rettung nahte, und 
ihre Gewißheit machte auch die beinahe schon Toten wieder lebendig. 
Wir erkannten unser Begleitschiff bei der Kabellegung und Newall, 
unseren Retter, an seinem Bord. 
Es waren unvergeßliche Szenen, die sich jetzt abspielten. Auf dem 
Schiffe herrschte rege Tätigkeit zur Ausführung der Landung. Niemand 
schien Notiz zu nehmen von dem vielhundertstimmigen Freudenjubel, 
der der Schiffsmannschaft entgegentönte. Der Anker raffelte nieder, 
und die Boote schossen ins Wasser. Sie trugen Tonnen voll Wasser 
und flache Holzgefäße, die dann durch kräftige Matrosenhände auf km 
Lande aufgestellt und mit Wasser gefüllt wurden. Man wußte durch 
Mr. Newall, daß uns das Wasser mangelte, und wollte zunächst unsern 
Durst stillen. Es stürzte sich auch sofort alles auf die großen Holz¬ 
gefäße und suchte, mit der hohlen Hand Wasser aus ihnen zu schöpfen. 
Aber das ging langsam, und andere drängten nach. Da wurde ein¬ 
fach der Kopf niedergebeugt und mit gierigen Zügen das köstliche Naß 
geschlürft. Auch die Tiere hatten das Wasser gespürt und drängten 
sich mit unwiderstehlicher Kraft heran, obgleich sie tagelang schon wie 
tot unter beu Zeltdächern gelegen hatten. Ein großer Hammel schob 
alles beiseite und steckte seinen Kopf zwischen dem einer schönen Blondine 
und dem eines Negers in das Faß, ohne daß diese sich stören ließen. 
Es waren Bilder, die gewiß allen unvergeßlich geblieben sind, die sie 
gesehen haben. 
Da die Zahl von etwa 500 Passagieren und Schiffsvolk für den 
Transport durch das kleine Kriegsschiff zu groß war, wurde von seinem 
Kapitän beschlossen, die Schiffsmannschaft mit einer Matrosenwache 
des Kriegsschiffes auf der Insel zurückzulassen und wegen ihrer 
Meuterei in strenger Zucht zu halten, die sämtlicher: Passagiere aber 
an Bord zu nehmen und nach Aden zurückzubringen. So kamen 
wir, in fürchterlicher Enge auf dem Deck des steinen Schiffes zusammen¬ 
gepreßt, wieder in Aden an, wo man schon mit Unruhe die telegraphische 
Nachricht unserer Ankunft in Suez erwartet hatte. Auf Befehl des 
Gouverneurs von Aden rnußte der nächste indische Paffagierdampfer 
trotz feiner Überfüllung noch fast die garrze Zahl der Schiffbrüchigen 
arlfnehmen. Wir ertrugen aber gern die Beschwerden dieser Überfahrt 
und der weiteren von Alerandria nach Marseille und dankten Gott, 
daß wir nicht ein tragisches Ende auf dem einsamen Korallenfelsen der 
Harnisch-Inseln gefunden hatten.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.