Siemens: Der Schiffbruch der Alma.
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erwachten aufs neue. Das Schiff näherte sich uns bald, bald ent¬
fernte sich's wieder; die Hoffnung begann sich zu regen, daß es uns suche.
Da endlich schien es unsere Signale zu bemerken, es nahm den Kurs
gerade auf die Insel zu. Kein Zweifel mehr! die Rettung nahte, und
ihre Gewißheit machte auch die beinahe schon Toten wieder lebendig.
Wir erkannten unser Begleitschiff bei der Kabellegung und Newall,
unseren Retter, an seinem Bord.
Es waren unvergeßliche Szenen, die sich jetzt abspielten. Auf dem
Schiffe herrschte rege Tätigkeit zur Ausführung der Landung. Niemand
schien Notiz zu nehmen von dem vielhundertstimmigen Freudenjubel,
der der Schiffsmannschaft entgegentönte. Der Anker raffelte nieder,
und die Boote schossen ins Wasser. Sie trugen Tonnen voll Wasser
und flache Holzgefäße, die dann durch kräftige Matrosenhände auf km
Lande aufgestellt und mit Wasser gefüllt wurden. Man wußte durch
Mr. Newall, daß uns das Wasser mangelte, und wollte zunächst unsern
Durst stillen. Es stürzte sich auch sofort alles auf die großen Holz¬
gefäße und suchte, mit der hohlen Hand Wasser aus ihnen zu schöpfen.
Aber das ging langsam, und andere drängten nach. Da wurde ein¬
fach der Kopf niedergebeugt und mit gierigen Zügen das köstliche Naß
geschlürft. Auch die Tiere hatten das Wasser gespürt und drängten
sich mit unwiderstehlicher Kraft heran, obgleich sie tagelang schon wie
tot unter beu Zeltdächern gelegen hatten. Ein großer Hammel schob
alles beiseite und steckte seinen Kopf zwischen dem einer schönen Blondine
und dem eines Negers in das Faß, ohne daß diese sich stören ließen.
Es waren Bilder, die gewiß allen unvergeßlich geblieben sind, die sie
gesehen haben.
Da die Zahl von etwa 500 Passagieren und Schiffsvolk für den
Transport durch das kleine Kriegsschiff zu groß war, wurde von seinem
Kapitän beschlossen, die Schiffsmannschaft mit einer Matrosenwache
des Kriegsschiffes auf der Insel zurückzulassen und wegen ihrer
Meuterei in strenger Zucht zu halten, die sämtlicher: Passagiere aber
an Bord zu nehmen und nach Aden zurückzubringen. So kamen
wir, in fürchterlicher Enge auf dem Deck des steinen Schiffes zusammen¬
gepreßt, wieder in Aden an, wo man schon mit Unruhe die telegraphische
Nachricht unserer Ankunft in Suez erwartet hatte. Auf Befehl des
Gouverneurs von Aden rnußte der nächste indische Paffagierdampfer
trotz feiner Überfüllung noch fast die garrze Zahl der Schiffbrüchigen
arlfnehmen. Wir ertrugen aber gern die Beschwerden dieser Überfahrt
und der weiteren von Alerandria nach Marseille und dankten Gott,
daß wir nicht ein tragisches Ende auf dem einsamen Korallenfelsen der
Harnisch-Inseln gefunden hatten.