Object: Bis zum Interregnum (Teil 1)

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alle Heiligtümer verletzten und sogar die Gebeine der verstorbenen 
Königsknaben herausrissen und umherstreuten, da leisteten endlich 
alle Fürsten dem Könige Heeresfolge. Es kam zu einem furcht¬ 
baren Bürgerkriege, aus dem Heinrich als Sieger hervorging. 
Die Empörer mußten sich unterwerfen. 
d) Heinrichs Gang nach Kanossa. Nachdem Heinrich die 
Sachsen besiegt hatte, wollte er auch mit dem Papst ins 
Reine kommen und suchte vor allem die Kaiserkrönung zu er¬ 
langen, weshalb er wiederholt Briese in entgegenkommendster 
Form an Gregor sandte. Da aber die deutsche Regierung bisher 
gegen die Machtansprüche des Papstes nichts Ernsthaftes unter¬ 
nommen hatte, konnte es jener wagen, in herausforderndem Tone 
zu antworten. Er machte Heinrich Vorwürfe über seinen früheren 
Lebenswandel und klagte ihn an, daß er eigenmächtig die In¬ 
vestitur vorgenommen habe, ja er ließ sogar durchblicken, daß er 
das Recht habe, ihm die Regierungsgewalt zu nehmen. Die Kaiser- 
krönnng verweigerte er nicht direkt, suchte sie aber hinauszuschieben 
in der Absicht, Heinrich zu demütigen, ihn dahin zu bringen, daß 
er sich dem Papste unterordne und sein Reich als päpstliches 
Lehen ansehe. Diese Anmaßungen mußten zum offenen Bruche 
führen, und Heinrich nahm im stolzen Bewußtsein seiner könig¬ 
lichen Macht den Kamps mit dem Papste auf. Er berief die 
Fürsten zu einer Synode nach Worms, zu der vorwiegend Bischöfe 
erschienen; denn gerade unter diesen waren viele mit Gregors Re¬ 
gierung nicht einverstanden. Statt aber dort die Lage der Ver¬ 
hältnisse in ruhiger Weise zu erörtern, beschloß die Versammlung 
dem leidenschaftlichen, feurigen Wefeu Heinrichs entsprechend die 
Absetzung des Papstes. In dem Briefe, in dem Heinrich dies 
Gregor kundgab, nannte er ihn nur Hildebrand und schloß mit 
den Worten: „Ich Heinrich von Gottes Gnaden mit allen unsern 
Bischöfen, wir sagen dir, herunter mit dir, du Verdammenswerter!" 
Dieseu Brief beantwortete der Papst damit, daß er die schärsste 
Waffe, über die er verfügte, den Bannfluch, gegen den Kaiser 
schleuderte. Zugleich erklärte er ihn des Thrones verlustig und 
entband die Untertanen vom Eide der Treue. 
Jetzt hätte der König eines treuen Anhanges im eigenen Volke 
bedurft; dann würde er, da er der inneren Unruhen Herr geworden 
war, auch feinen Gegner in Rom überwunden haben. Gefährlicher 
als dieser waren jedoch seine Feinde im eigenen Reiche. Die
	        
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