18 2. Abschnitt. Klima. § 29.
zu einem klimatischen Übergangsgebiete, das die Gegensätze des
binnenländischen und des ozeanischen Klimas verschmilzt. So genießen
wir einerseits die Wohltat, daß die größere Winterkälte meerferner
Landmassen bei uns durch milde Seewinde fast vermieden wird, und
daß wiederum zur Sommerszeit der Übelstand stärkerer Bewölkung und
verhältnismäßiger Kühle, den seenahe Gebiete.zeigen, durch Luft-
strömungen aus Osten oft genug aufgehoben ist.
Jedermann kennt den Wechsel der Luftwärme im Laufe der vier
Jahreszeiten; jeder weiß auch, wie die Wärme täglich unter dein Einfluß
der Sonnenstrahlen im allgemeinen gegen Mittag zu- und gegen Abend
wieder abnimmt, daß, wie die größte Tageswärme durchaus nicht mit
dem täglichen Höchststand der Sonne zusammenfällt, sondern gemeinhin
erst ein paar Stunden später, ebenso auch erst im Juli und August
die größte Jahreswärme eintritt, und wie endlich das Dunkel der
Nacht die größte Abkühlung des Erdbodens und der darüber schwebenden
Lufthülle bringt: jedes Kind kennt auch wohl das Thermometer, mit
dem man solche Wärmezustände der Luft nach Graden mißt.
Das Jahresmittel der Temperatur beträgt für Görlitz -|-80C.
Der Januar weist — 1,8°, der April -f- 7,5°, der Juli -)- 18°, der
Oktober —|— 9 0 C auf. Diese Werte sind aus etwa 50 Jahre lang
fortgesetzten, täglich dreimal angestellten Beobachtungen herausgerechnet,
sie wollen aber durchaus nicht sagen, daß jedes Jahr, jeder Monat,
jeder Tag auch die angegebenen Temperaturoerhältnisse zeigen müsse;
ebenso würden sie erst ihre rechte Beleuchtung erhalten, wenn man sie
mit den andernorts gefundenen Mitteln vergliche, z. B. mit denen
von Posen, Königsberg, Berlin, Cöln, Mainz.
Für die Wärmezustände eines Ortes kommen außer der geographischen
Breite unb der Seenähe oder -serite noch die Lage im Hoch- oder
Tieslande, die Bodenart und vor allem mich die Höhenlage in Betracht.
Mit je 100 in senkrechter Erhebung sinkt das Thermometer durch*
schnitlich um V20 c- Weil nun die Pflanzenwelt am unmittelbarsten
von der Wärme beeinflußt wird, so sehen wir die interessante Erscheinung,
daß in Görlitz die Baumblüte etwa um sieben Tage später fällt als
iit Breslau, das fast 100 m niedriger liegt. In Wigandsthal blühen
die Kirschen schon durchschnittlich 11 Tage später als in Breslau, und
in demselben Orte kann die Ernte fast regelmäßig erst 14 Tage jpäter
beginnen als in der Laubaner Gegend; ja in dem langgestreckten
Gebirgsdorfe Schwerta bei Marklissa erntet das Niederdorf den Roggen
fast stets ein paar Tage eher als das Oberdorf.