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ist Marino noch der einzige Staat im Staate. Es ist Hoffnung 
vorhanden, dass das Volk sich in seiner schönen Behausung endlich 
auch wohnlicher einrichtet. 
19. Spanien und Portugal, a) Die Pyrenäenhalbinsel be¬ 
sitzt viel Hochland und weist nur an der Westküste, am Ebro 
und in Andalusien (6 w 37) bedeutendere Tiefländer auf. In den 
beiden letztgenannten Gegenden finden wir alle die herrlichen 
Naturschönheiten Italiens wieder: blauen Himmel, goldigen 
Sonnenschein, schimmernde Früchte. „Fern im Süd das schöne 
Spanien", singt der Zigeunerbube voll schmerzlichen Heimwehes, 
„Spanien ist mein Heimatland, wo die schattigen Kastanien rauschen 
an des Ebro Strand, wo die Mandeln rötlich blühen, wo die heisse 
Traube winkt, wo die Rosen schöner glühen und das Mondlicht 
goldner blinkt" (Qeibel). Südlich von Andalusien bildet Spanien 
ja den südlichsten Punkt ganz Europas. Und hinwiederum 
schützt die Sierra-Nevada (3 w 37) durch ihre bedeutende Er¬ 
hebung (3500 m) gegen die allzu verheerende Glut des Südens. 
Ausser den Südfrüchten sind die Weine von Porto (9 w 41), Jerez 
oder Sherry (6 w 37) und Malaga (4 w 37) weltbekannt. Wir sind 
im 3. Weinland Europas. Steigen wir auf die Hochflächen der 
Halbinsel hinauf, so suchen wir vergeblich die lieblichen Gärten 
Italiens, vergeblich den deutschen Wald und Vogelsang. Statt 
dessen finden wir sonnenverbrannte Grassteppen wie in Südrussland, 
oft ohne Baum und Strauch. Das genügsame Schaf und die Ziege 
gehen hier in grossen Herden ihrer dürftigen Nahrung nach. Und 
doch ist das Land allenthalben nicht unfruchtbar, wenn man 
es nur mit frischem Wasser berieselt und den Wald nicht schonungs¬ 
los vernichtet. Auch das Erdinnere ist dankbar; Spanien ist das 
1. Land des ganzen Erdteils für Blei, Kupfer und Quecksilber und 
steht an Mannigfaltigkeit der Bodenschätze in Europa einzig da. 
Es hat grosse, noch ungenützte Kohlenfelder. Von Bedeutung sind 
die Wälder der Korkeiche. Getreide muss eingeführt werden, 
obwohl das Land so ergiebig sein könnte und die Bevölkerungs¬ 
dichte so gering ist. 
b) Den Boden mit Geduld und Sorgfalt zu pflegen, dazu ist 
der Spanier nicht zu haben. Er will öffentliche Schaugepränge, 
Prozessionen und Tänze. Anstatt das nutzbare Rind zu hegen, 
hetzt er es in grausamen Stiergefechten elend zu Tode. Da die 
Verwaltung eines Landes ebenso mühevoll ist wie seine Bebauung, 
so herrscht auch in dieser Hinsicht ein gut Teil Miss Wirtschaft. 
„Wer ein Amt hat, der.warte sein!" Der spanische Beamte sucht sich 
oft nur zu bereichern. Von der allgemeinen Nachlässigkeit macht 
auch die Hauptstadt Madrid (4 w 40) keine Ausnahme, wenn es 
hier auch nicht gar so schlimm bestellt ist wie in vielen Städten 
Italiens oder in Konstantinopel. Verbrechen aller Art, sogar 
Strassenraub sind in solchem Lande keine Seltenheit. Zu dem 
allen gesellt sich ein dünkelhafter Stolz, auch kalte Grausamkeit, 
die sich schon zu Kolumbus' Zeiten offenbarte und gegenwärtig noch
	        
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