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und Berthold hätten alle Wege und Zugänge, die nach Italien führen, und die man 
gewöhnlich Klausen nennt, besetzt, um ihm jede Möglichkeit des Überganges zu ver¬ 
sperren. Nach vollbrachter Weihnachtsfeier reiste er von hier ab und nahm seinen 
Weg über den Mont Cenis. 
Noch war der Winter überaus hart, und die Berge, über welche der Übergang 
stattfand und die sich ins Unermeßliche ausdehnen und mit ihren Gipfeln fast in die 
Wolken ragen, starrten so von Schnee uud Eis, daß man auf dem schlüpfrigen und 
steilen Abhange weder zu Pferde noch zu Fuß ohne Gefahr hinabsteigen konnte. 
Aber die Wiederkehr des Tages, an welchem der König in den Bann gethan worden 
war, stand nahe bevor und duldete keine Verzögeruug der Reise. Der Köuig wußte, 
daß für den Fall, wenn er nicht vor diesem Tage von dem Bannspruche freigesprochen 
wäre, durch deu gemeinschaftlichen Ausspruch der Fürsten beschlossen worden sei, 
daß er seine Sache auf immer verloren haben und des Reiches, ohne irgend ein 
Mittel der künftigen Wiedereinsetzung, verlustig sein sollte. Deswegen mietete er 
um Lohn einige von den Eingeborenen, welche der Gegend kundig uud an die 
schroffen Alpengipfel gewöhnt waren, um seiner Begleitung über die steilen Gebirgs- 
wände und Schneemassen voranzugehen, und den Nachfolgenden mit allen Hilfs¬ 
mitteln, deren sie kundig wären, die rauhen Pfade zu ebenen. Mit diesen Führern 
gelangten sie mit größter Schwierigkeit bis auf den Scheitel des Gebirges; hierüber 
zeigte sich keine Möglichkeit, weiter fortzukommen, weil der schroffe Abhang des 
Berges durch das Eis so schlüpfrig war, daß er jedes Heruntersteigen gänzlich zu 
versagen schien. Hier nun mußten die Männer alle Gesahr mit ihren Kräften zu 
überwinden suchen, uud bald auf Händen und Füßen kriechend, bald aus die Schul¬ 
tern ihrer Führer sich stützend, bisweilen auch, wenn ihr Fuß auf dem schlüpfrigen 
Boden ausglitt, fallend und weit fortrollend, langten sie doch endlich mit großer 
Lebensgefahr in der Ebene an. Die Königin und andere Frauen, die in ihrem 
Dienste waren, setzte man auf Ochsenhäute, und die zum Geleite vorausgehenden Weg¬ 
weiser zogen sie darauf abwärts. Von den Pferden ließen sie einige mit Hilfe ge¬ 
wisser Vorrichtungen hinunter, andere schleiften sie mit zusammengebundenen Füßen 
hinab, von denen viele umkamen, mehrere untauglich wurden, sehr wenige lebend 
und unverletzt der Gefahr entgingen. 
Als sich durch Italien der Ruf verbreitete, der König sei angelangt und befinde 
sich, nachdem er die rauhesten Klippen überstiegen, schon innerhalb der Grenzen 
Italiens, da strömten wetteifernd zu ihm alle Bischöfe und Grafen Italiens, und 
nahmen ihn, wie es sich für die königliche Hoheit gebührte, mit den größten Ehren¬ 
bezeigungen auf, und binnen weniger Tage versammelte sich um ihn eine nnermeß- 
liche Heeresmacht. Denn schon vom Anfange seiner Regierung an hatten sie feine 
Ankunft in Italien immer sehnlich gewünscht, weil jenes Reich durch Kriege, Auf- 
stände, Räubereien und vielfache Fehden der Einzelnen ununterbrochen von Feind¬ 
seligkeiten erfüllt war, und weil sie hofften, daß alles, was ruchlose Menschen wider die 
Gesetze und Rechte der Vorfahren sich herausnahmen, durch die Zucht der königlichen 
Macht gebessert werden würde. Überdies, weil das Gerücht sich verbreitet hatte, der
	        
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