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3. Die Sudetenländer. Der nordwestliche Teil von Österreich-
Ungarn wird durch Teile des deutschen Mittelgebirges von dem Deutschen
Reiche, bezw. von Bayern, Sachsen und der Provinz Schlesien ge-
schieden. Es kommen hier der Böhmerwald (vgl. I, 216), das Erz¬
gebirge (vgl. I, 80) und die Sudeten (vgl. I, 83) inbetracht. Letztere
bilden die Nordostgrenze des nach ihnen benannten Gebietes. Seine
Ostgrenze ist die March. Der südliche Teil gehört in staatlicher Be-
ziehung zu den Erzherzogtümern Osterreich. Sonst liegen dort folgende
Länder:
a) Böhmen. Böhmen ist seiner Gestalt nach ein Viereck, dessen
Spitzen nach den Haupthimmelsgegenden gerichtet sind. Die Natur
selbst hat das Land zu einer rings mit starken, hohen Wällen um-
gürteten Festung gemacht. Von welcher Seite man auch eindringen
will, immer muß man bergan. So ist Böhmen von seinen Nachbar-
ländern abgeschlossen. Der vierseitige Gebirgswall wird gebildet durch
den Böhmerwald, das Erzgebirge, die Sudeten und die mährische
Höhe. Die Randhöhen fallen nach innen allmählich ab; sie erfüllen
mit ihren sich einander zuneigenden, von zahlreichen Wasserläufen durch-
schnittenen Abdachungen das Innere Böhmens und bilden hier ein
vielgestaltiges, reich bewässertes Hügel- und Terrassenland, das sich in
einzelnen Stufen von Südwesten nach Nordosten abdacht. Nördlich
von der Egermündung liegt zu beiden Seiten der Elbe das an Natur-
schätzen und schönen Landschaften reiche böhmische Mittelgebirge,
das im Melischauer bis zu 840 in ansteigt. Das Wasser ist gleich-
mäßig auf das ganze Land verteilt. Der Hauptfluß Böhmens ist die
am Böhmerwalde entspringende Moldau, welche die S azawa (ßasawa)
und Beraun aufnimmt und sich in die Elbe ergießt. Diese steht an
Größe, Wasserfülle, Schiffbarkeit und Bedeutung für das Land der
Moldau nach und erscheint als deren Nebenfluß, zumal sie auch die
Richtung derselben annimmt. In die Elbe fließt auch die Eger.
Zu der günstigen Bewässerung gesellt sich ein mildes Klima; denn das
Land wird infolge des schützenden Gebirgswalles von den rauhen Nord-
und Ostwinden nicht berührt. Die hohen Randgebirge bewirken reich-
liche Niederschläge, die den Pflanzenwuchs begünstigen. Dazu kommt
noch, daß der Boden sehr fruchtbar ist und mit Fleiß und Sorgfalt
angebaut wird. Das Land bringt daher Getreide aller Art, Obst,
Wein, Gemüse (besonders Gurken), Zuckerrüben, Hopfen und Flachs
in Menge hervor. Durch Fruchtbarkeit zeichnet sich das weizen-, wein-
und obstreiche „böhmische Paradies", d. i. die Gegend um Leitmeritz,
aus. Die Gebirge sind mit dichten Wäldern bedeckt, die auch in der
Ebene nicht ganz fehlen und eine bedeutende Holzindustrie hervorge-
rufen haben. Der Boden ist reich an nützlichen Mineralien, so an
Stein- und Braunkohlen, an Eisen-, Blei-, Silber- und Zinnerzen.
Deshalb ist der Bergbau dort sehr bedeutend. Jedoch sinden sich die
Eisenerze und die Steinkohlen in der Regel nicht in unmittelbarer
Nähe, wie das in Deutschland der Fall ist. Endlich entströmen dem
Boden viele heilkräftige Mineralquellen; die bedeutendsten sind bei
Karlsbad und Töplitz. Abgesehen von dem Salz besitzt Böhmen alles.