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Arme von ihm ab. Das vom Gebirge mitgebrachte Geröll setzt er
auf seinem Lauf durch die Ebene ab, wodurch kleine Inseln oder
Auen entstanden sind. Bei Überschwemmungen hat er sein Hauptbett
manchmal verlegt, wodurch an seinen versandeten Ufern sumpfige und öde
Flächen entstanden sind. Unter diesen Umständen war der Rhein als
Verkehrsstraße nicht geeignet; auch konnten sich die Menschen nicht,
wie das sonst bei Flüssen üblich ist. dicht an seinen Ufern ansiedeln.
So erklärt es sich, daß in dem südlichen Teile der Rheinebene die
Städte vom Strome weit entfernt liegen. Das gilt z. B. von Frei-
bürg, Karlsruhe, Heidelberg und Darmstadt. Um den Rhein
zu einer nutzbaren Wasserstraße zu gestalten, mußte sein Bett eingeengt
und vertieft und so sein Lauf reguliert werden. Das erforderte ge-
waltige Arbeiten und ausgedehnte De ich anlagen. In der nördlichen Hälfte
der oberrheinischen Tiefebene ist das Bett des Rheines tiefer und sein
Lauf ruhiger und regelmäßiger. Die eben erwähnten Übelstände
machen sich daher gar nicht geltend, weshalb eine Reihe großer Städte,
von denen mehrere bereits in der Römerzeit entstanden sind, dicht am
Rheine liegen. Die wichtigsten sind Speyer, Worms, Mainz und
Mannheim.
Weil die Randgebirge dem Rheine ziemlich nahegerückt sind,
kann die Ebene meist nur von zahlreichen kleinen Rheinzuflüssen
bewässert werden. Eine Ausnahme bilden jene Flüsse, welche die
Gebirge durchbrechen und umfließen oder dieselbe Richtung haben wie
der Rhein. Dazu gehören außer dem Neckar und Main (vgl. S. 12 u. 16),
deren Unterlauf der Ebene angehört, nur die Jll, welche vom Schweizer
Jura kommt und mit dem Rheine parallel fließt. Sie sammelt die
von dem Wasgauwalde in die Ebene stürzenden Gewässer. An ihr
liegen die gewerbreichen Städte Mülhausen und Colmar und die
„wunderschöne" Stadt Straßburg, unterhalb deren der Fluß sich in
den Rhein ergießt.
Infolge ihrer tiefen und geschützten Lage hat die oberrheinische
Tiefebene das mildeste Klima Deutschlands. Die hohen Randgebirge
halten die feuchten West- und die schärfen Ostwinde ab; den rauhen
Nordwinden ist durch vorgelagerte Gebirge der Weg verlegt, während
die warmen Südwinde freien Zutritt haben. Nirgend hält der holde
Lenz mit seinem frischen Grün so früh feinen Einzug wie in der ober-
rheinischen Tiefebene. Bereits in der ersten Hälfte des Monats April
blühen die Kirschbäume, und schon zu Anfang Juni sind die Kirschen
reif. Der Boden ist meist sehr fruchtbar und wird allerorten vortrefflich
angebaut. Er erzeugt Getreide aller Art, Flachs, Hanf, Hopfen,
Tabak, Wein, Obst, Kastanien, Mandeln und Walnußbäume. Da
gibt es auch heute noch
Goldne Saaten in den Tälern,
Auf den Bergen edlen Wein.
Landwirtschaft, Viehzucht und Weinbau machen die Hauptbeschäftigung
der Bewohner in der Ebene aus; doch sind auch die Fabriken in
Wollen-, Baumwollen-, Seiden-, Leder- und Schmuckwaren bedeutend.
Die Ebene erscheint wie ein blühender Garten zwischen Gebirgswällen,