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Untermauern imponierendes, mit einem geschmackvollen viereckigen Turm
geziertes Gebäude, welches jetzt den Namen Kapitol trägt. Die Quadern
des Unterbaues stammen aus dem Jahrhundert vor Christus und gehören
zu einem Gebäude, das als Reichsarchiv (tabulariuui) diente. Es sind
wahre Riesenmauern, von Tuff und Peperin^) erbaut, welche offenbar nicht
bloß die Fundamente eines Hauses bildeten, sondern zugleich als Unterbau
für den Hügel selbst berechnet sind. In alter Zeit haben sie luftige Arkaden
getragen, und wenn man durch diese Bogen hindurch, wie einige Forscher
behaupten, den Prachtbau des Jupitertempels sehen konnte, so muß das ein
Abschluß des Forums, dieses Hauptplatzes für den öffentlichen Verkehr, und
ein Anblick gewesen sei, wie man ihn sich großartiger gar nicht denken kann.
— Das jetzige Kapitol wird als Stadt- oder Rathaus von Rom benutzt
und zeigt nach dem Forum zu nur seine Rückseite mit drei langen Reihen
kleiner, durch häßliche Läden verschlossener Fenster. Der antike Unterbau
ist aber reichlich ebenso hoch und groß wie das moderne auf ihm stehende
Gebäude, und diese bedeutende Höhe des Baues, dazu die unregelmäßigen
Fensteröffnungen in dem alten Gemäuer, sowie ein großes torartiges, von
zwei antiken Säulen eingefaßtes Fenster und ein alter zinnengekrönter Eck-
türm geben dem Ganzen doch ein höchst malerisches und imposantes Aus-
sehen. Nur freilich von der alten Herrlichkeit dieses einstigen Mittelpunktes
der Erde, von dem Sitze des weltbeherrschenden Jupiter optimus maximus
und der demselben entsprechenden Pracht und Hoheit, mit einem Worte,
von alle dem, was wir von Jugend auf in dem Namen Kapitol zusammen-
zufassen gewöhnt sind, seit wir von Brennus, Manlius und den rettenden
Gänsen der Juuo oder den Prachtbauten der Cäsaren etwas gehört haben,
ist nicht einmal in Ruinen mehr etwas zu sinden. Weder die Burg noch
der Tempel des Jupiter haben eine Spur zurückgelassen; die Gelehrten
streiten sich über ihre einstige Lage, und der heutige kapitolinische Berg ist
von modernen Palästen bedeckt, deren architektonische Schönheit zum Teil
sogar sehr zweifelhaft erscheint. . Insofern mag man sich enttäuscht fühlen,
wenn man diese wahrhaft klassische Stelle der Erde betritt, und es läßt sich
nicht leugnen, daß der Palatinische Berg mit seinen Ruinen und Gärten,
seinen zerbrochenen Säulen und Mauerresten der Phantasie und der Lieb-
haberei des Altertumsfreundes ungleich reicheren Genuß gewährt. Immer-
hin aber ist auch das moderne Kapitol, mit welchem Namen man nach
Vorgang der Alten auch den ganzen Berg bezeichnet, eine der anziehendsten
Stätten Roms.
(b. St. Peter.) Die kolossale Größe der Kirche und die riesigen
Dimensionen des davor liegenden Platzes sind ja sprichwörtlich; aber nicht
ebenso allgemein bekannt pflegt die Tatsache zu sein, daß diese ungeheuere
Größe nur schwer und langsam zu erkennen ist. Wie man den Wald vor
Bäumen nicht sieht, so sieht man anfänglich die Größe St. Peters vor
seiner Größe nicht. Teils liegt der Grund davon wohl in der vollendet
ebenmäßigen Proportion aller Räume, welche selbst die dicksten Pfeiler und
die höchsten Gewölbe frei und leicht erscheinen läßt, teils bewirkt sowohl auf
dem Platze wie in der Kirche gerade die weite Entfernung der Gegenstände,
daß diese selbst klein erscheinen, und gibt dem Beschauer damit einen falschen
*) Peperino (Pfefferstein), ein grauer Tuffstein aus dem Albanergebirge.