Full text: Das deutsche Vaterland (Teil 2)

A. Die Aufgaöe des erdkundlichen Unterrichts. 
Zu den Büchern, zu denen man immer wieder gern zurückkehrt, 
weil man aus ihnen Anregung und Belehrung schöpft, so oft man sie 
in die Hand nimmt, gehört die schlichte Schrift: „Deutschland, Ein- 
führuug in die Heimatkunde" von Friedrich Ratzel. Der besondere 
Wert dieses Büchleins besteht nicht in den interessanten Darlegungen 
über Aufbau und Geschichte des deutschen Bodens, nicht in den natur- 
getreuen, plastischen Schilderungen der deutschen Kulturlandschaften, nicht 
in den geistvollen Bemerkungen über die politischen Charakterzüge des 
Deutschen, sondern das Büchlein nimmt uns deshalb immer wieder ge- 
fangen, weil es uns Deutsche so schlicht und doch so überzeugend lehrt, 
was wir an unserem Vaterlande eigentlich besitzen. Zeigt es uns doch: 
„Unser Land ist nicht das größte, nicht das reichste, nicht das sonnigste 
Europas. Aber es ist groß genug für ein Volk, das entschlossen ist, 
nichts davon zu verlieren, es ist reich genug, ausdauernde Arbeit zu 
lohnen, es ist schön genug, Liebe und treueste Anhänglichkeit zu ver- 
dienen, es ist mit einem Worte ein Land, in dem ein tüchtiges Volk 
große und glückliche Geschicke vollenden kann, vorausgesetzt, daß es sich 
und sein Land zusammenhält". 
In diesen warmherzigen Worten ist nicht nur der Zweck des Bu- 
ches, das ein Haus- und Familienbuch im besten Sinue des Wortes 
ist, dargetan, sondern auch zugleich der Weg angedeutet, den alle geo- 
graphische Belehrung einschlagen muß, wenn sie die Augen hell und 
die Herzen warm machen und eine Wirkung erzielen will, welche die 
kurze Schulzeit überdauert: sie muß sich auf dem nationalen Gefühl 
des Lehrers aufbauen und das nationale Gefühl im Schüler wecken, 
pflegen und stärken. Seitdem die Interessen unseres Volkes — eines 
Volkes von 65 Millionen — Weltinteressen geworden sind, brauchen 
wir mehr als je eine nationale Erdkunde, die auf Stärkung des natio¬ 
nalen Selbstbewußtseins abzielt, jenes nationalen Selbstbewußtseins, das 
bei anderen Völkern, z. B. bei Franzosen und Engländern, so deutlich 
hervortritt, bei uns Deutschen aber noch so wenig ausgebildet ist. Wir 
brauchen eine nationale Erdkunde, welche in ihren letzten Zielen die 
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