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darauf, daß der im Unterricht gebotene Stoff durch eigene Kraft erworben
und vom Interesse des Schülers getragen wird. (Vergl. S. 25.) Sorgen
wir dafür, daß der Schüler nicht eine Summe geographischer Einzel-
heiten, sondern eine lebensvolle Gesamtanschauung von Land und Leuten
und eine seiner Altersstufe entsprechende Einsicht in die Naturbedingungen
gewinnt, von denen Dasein und Wirken der Menschheit abhängt. Ver-
drängen wir trockene Zusammenstellungen von Gebirgen, Bergen, Strömen
und Städten immer mehr zn Gunsten lebendiger Schilderungen der
charakteristischen Landesteile. Der Segen wird nicht ausbleiben.
Die Volksschule darf sich naturgemäß nicht auf eine Seite der Geo-
graphie beschränken, doch wird das physische Element aus allen Stufen
stärker hervortreten als das politische. Die politische Geographie, die ja
im Grunde nur ein Aggregat von größtenteils statistischen Kenntnissen
ist (Vergl. Maitz, Allgemeine Pädagogik 1883), kann eben keinen beson-
deren Wert beanspruchen. Nur bei der Betrachtung des engeren und
weiteren Vaterlandes werden wir ihr an einer Stelle eine ausführlichere
Besprechung angedeihen lassen, denn es ist sicher ein Fehler, wenn der
Zögling nichts oder nur wenig und gelegentlich darüber erfährt, wie das
Land regiert wird, dem er einst.als guter Bürger angehören soll. Die
meisten, die aus der Volksschule hinaus ins Leben treten, haben nie wieder
Gelegenheit, sich in einer ihnen völlig verständlichen nnd rein sachlichen
Weise über die Staatsverhaltnisse belehren zu lassen. Freilich gehört
gerade das Kapitel „Staatsverfaffuug" zu den schwierigsten, welche an
die Kinder herantreten, und es kann nur dann wirklich fruchtbringend
behandelt werden, wenn mit Sorgfalt auf solche Vorstellungen, welche
aus eigener Anschauung herauswachsen (Gemeindeverwaltung, Verwaltung
der Provinz u. s. w., in der der Wohnort liegt) zurückgegangen und dann
in der einfachsten Weise aus sicherem Grunde weiter gebaut wird.
Hinsichtlich des topographischen Stoffes soll nur auf einen Punkt
hingewiesen werden. Wir halten es nicht für zweckmäßig, in der Geo-
graphiestunde allerlei geschichtliche, kulturgeschichtliche oder sonstige Notizen
einznslechten, welche erst im späteren Unterricht Verwendung und eingehende
Besprechung erfahren können. Der Unterricht wirkt nur belastend und
verwirrend, wenn er die Kinder mit derartigen, aus dem ursprünglichen
Zusammenhange herausgerissenen Einzelheiten beglückt, ihnen vielleicht nach
Art der Leitfäden mitteilt, daß in Königsberg der Denker Kant und in
Leipzig der Fabeldichter Gellert lebte, daß Blücher bei Caub in der Nen-
jahrsnacht den Rhein überschritten hat n. s. w. Solche Diuge können
und sollen nur dann in der Geographiestunde Erwähnung sinden, wenn
sie den Kindern aus dem übrigen Unterrichte bereits bekannt sind. Wird
anders verfahren, so läuft der Unterricht Gefahr, eine encyklopädistische
Richtung einzuschlagen, welche den Zögling der Genauigkeit und Gründ-
lichkeit entwöhnt und zur Oberflächlichkeit und Flüchtigkeit anregt. Auch
der Mangel an geistiger Frische und Lust zu freier Selbstthätigkeit, dem