Full text: [Bd. 1, Schülerh. 1] (Bd. 1, Schülerh. 1)

15 
Das Rheinische Schiefergebirge. 
§15. 
liegt zwischen Oktobers Anfang und Novembers Ende. Mehrere Wochen vor- 
her werden die Weingärten von der Gemeindeverwaltung geschlossen, und nie- 
mand, selbst der Besitzer nicht, darf sie betreten. Der Beginn der Lese wird 
(fnch von der Gemeinde festgesetzt und durch die Schelle bekanntgegeben. 
Nun entwickelt sich in den Weinbergen ein geschäftiges, munteres Leben. Die 
Weintrauben werden an Ort nnd Stelle in tiefen Kübeln, Lägeln genannt, 
zerquetscht; diese werden auf dem Rücken nach Hause gebracht und dort ersolgt 
in der Kelter die vollständige AusPressung des Meines. Der abfließende trübe 
Saft heißt Most; uach langer Gärung in großen Bottichen entsteht daraus 
der klare, duftige Wein. Hohe Preise entschädigen den Winzer für seine 
Mühen. Er muß sie auch erzielen; denn manches Jahr bringt eine Mißernte. 
Sagt man doch am Rhein: „Das 7. Jahr muß den Winzer entschädigen; denn 
6 Jahre hat er Mißernten." Berühmte Rheinweine sind der Johannisberger, 
Steinberger, Rauentaler, Markobrunner, Aßmannshänser (edelster Rotwein), 
Rüdesheimer und andere mehr; von der Mosel her lobt man den Bernkasteler 
Doktor, Cueser (sprich Kuhser), Trarbacher, Lieserer usw., von den Rotweinen 
des Ahrtales den Walporzheimer. Zu der Fruchtbarkeit der Täler tritt noch 
als günstiger Umstand sür die dichte Bevölkerung und ihren Wohlstand die 
glückliche Lage an den schiffbaren Flüffen, deren Ufer noch von Eisenbahn- 
schienen begleitet werden. Dort konnten sich manche Orte zu wichtigen Mittel- 
punkten sür das Gewerbe und den Handel zwischen Tal und Höhen, zwischen 
nah und fern entwickeln. Bedeutende Städte, die vorzüglich diesen glücklichen 
Verhältnissen ihre Größe verdanken, sind Koblenz und Trier. In grauer 
Vorzeit schon sind diese gesegneten Gegenden von Menschen bewohnt gewesen. 
Tie vier ersten Jahrhunderte n. Chr. herrschten hier die Römer, und mauche 
Stadt verdankt ihnen Ursprung und Namen. Mächtige Bauwerke (Trier) sind 
beredte Zeugen dieser Zeit. Um diese reichen Gaue zu schützen, hatten die Rö- 
mer sogar über die Taunushöhe und den südwestlichen Teil des Westerwaldes 
einen Befestigungsgürtel (Limes) aus Wall, Graben und Türmen angelegt, 
worin sich in regelmäßigen Abständen Kastelle befanden. Das befterhaltene ist 
die Saalburg unweit Homburgs im Taunus. Der Staat hat sie wieder größten- 
teils herstellen lassen, und sie gibt uns ein anschauliches Bild eines befestigten 
Lagers der römischen Legionen. Großartiger, reicher sind aber die Zeugen 
des glanzvollen Mittelalters in diesen gesegneten Landstrichen; auf den Bergen 
rufen uns Burgen uud Burgruinen die Zeit der gepanzerten Ritter vor 
die Seele; ^in den Tälern versetzen uns mauernumkränzte Städte mit hohen 
Giebelhäusern und alten Domen .in das tatenkräftige, lebensfrohe Dasein des 
stolzen Bürgertums jener Tage. Die stets zunehmende Ausdehnung der Städte 
über ihre UmWallung hinaus, die prächtigen Landhäuser, die Dampfer auf 
den Flüssen, die ständig dahinrollenden Eisenbahnzüge verkünden den kräftigen 
Pulsschlag unserer Zeit. So vereinigen sich in diesen Tälern, besonders im 
Rheintale stets wechselnde großartige und anmutige Landschaftsbilder, mildes
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.